Bereits in ihren jungen Jahren hat Mel Bandison eine Affinität fürs Kapern von Computersystemen für protektive Zwecke entwickelt, die das Militär in Alarmbereitschaft versetzt und das Interesse des berüchtigten Hackers Buddy geweckt hat. Zehn Jahre später bricht die nun junge Erwachsene als Aktivistin weiterhin in die Systeme von Unternehmen ein und stellt Sicherheitszertifikate aus. Doch beim Beheben eines Datenlecks für ein Unternehmen, das sich auf autonome Busfahrten spezialisiert hat, bekommt Mel es mit einem chinesischen Netzwerk zu tun, das mittels eines Deepfakes die Frau in Lebensgefahr bringen wird.
Wildes Herumtippen auf der Tastatur, vertikal von unten nach oben verlaufene Codezeilen, Hoodie-Bekleidung, Pizza und Kartoffelchips zur gelegentlichen Ernährungszufuhr – richtig: Das Thema Hacking wird mal wieder in Bewegbildern zur Schau gestellt. Und wo Programmzeilen für Verwirrung und Unruhe sorgen, ist der gängige Thriller nicht weit entfernt. Die Regisseurin Annemarie van der Mond (Just Friends) und Netflix versuchen in The Takeover gar nicht erst von diesem Klischee-Kurs abzuweichen und präsentieren einen knapp 90-minütigen Cyber-Krimi, ausgespuckt aus dem Fernsehfilm-Generator.
Im zügigen Erzähltempo werden alle nötigen Komponenten – Hackerin, Polizei, Auftragskiller – mit minimaler Infotiefe etabliert. Dabei fällt leider die unsympathische Zeichnung der Protagonistin (Holly Mae Brood, Da waren's nur noch zwei) auf, die in nahezu jedem Moment aufgewühlt ist und eine beleidigte Miene ziehen muss. Für eine ganz leichte Dynamik auf der menschlichen Ebene lernt sie den etwa gleichaltrigen Thomas (Géza Weisz, F*ck die Liebe nochmal) bei einem unglücklich verlaufenden Date kennen. Dieser muss wiederum miterleben, wie er bei der baldigen Jagd auf Mel zum ahnungslosen Anhängsel noch weiter degradiert wird. Ihre Zweckfreundschaft entwickelt sich kaum, befindet sich die Hackerin nämlich ständig in einem Tunnel – visualisiert durch nette, aber unbedeutende Reisen in ihrer Polygon-Parallelwelt – mit der Thomas sehr wenig anfangen kann, ihr abgetauchter „Mentor“ Buddy (Frank Lammers, Undercover) natürlich umso mehr, den sie notgedrungen bald aufsucht.
Auf der dramaturgischen Ebene werden die dreisten Inspirationen von anderen Thriller-Klassikern deutlich. Buddy hält sich wie Gene Hackman aus „Staatsfeind Nr. 1“ in einem stillgelegten, abgesicherten Warenlager in Belgien auf und die Deepfake-Falle für Mel gleicht in ihrer Inszenierung Brian de Palmas „Mission: Impossible“. Für die actiongeladene Zuspitzung der Geschichte steht wenig verwunderlich das Unternehmen für autonome Busfahrten im Fokus, das den Passagieren einen komfortableren Einstieg per Gesichtserkennung ermöglichen möchte. Gepaart wird dieser technologische Kniff mit dem Missbrauch der höchstpersönlichen Daten seitens einer chinesischen Cyberfirma und dem blinden Vertrauen in Autopilot-Systeme, wodurch The Takeover bezüglich der Kooperation mit chinesischen Firmen und der Deepfake-Thematik für ein wenig Gesprächsstoff während des Abspanns sorgen kann.
Doch wie kann man nun einen autonomen Bus mit VIP-Gästen an Bord und das Hacken actionreich miteinander verknüpfen? Welcher Film könnte dafür nur als Vorlage dienen… Ganz zu schweigen von der großen Logiklücke, die dabei sofort aufklafft. Denn warum hat ein Bus keinen Bremsmechanismus, der beim Ausfall der regulären Elektronik automatisch ausgelöst wird? Mit ernstem Blick und viel Tippen auf der Tastatur schreibt sich der Film schlussendlich seinen generischen Spannungsbogen zusammen, der auch noch handwerkliche Mängel zu beklagen hat. So werden Verfolgungsjagden komplett zerschnitten und die Musik übermalt die Szenen zu kräftig mit emotionalen Klängen. Zu alldem hätte man auf Mels Hacker-Kolleg:innen verzichten können, die in nervenden Videocalls nichts Konstruktives beizutragen haben. Fast könnte man den Eindruck bekommen, dass van der Mond jedes Element im Film, passend zum Thema, selbst sabotieren möchte, wodurch sich einfach keine Atmosphäre entfalten kann.
Fazit
Autonomes Fahren, Gesichtserkennung und Deepfakes sind interessante Themen, die Regisseurin Annemarie van der Mond mit stumpf inszenierter Cyberkriminalität unspektakulär und kaum kreativ verarbeitet. Das Darsteller-Ensemble ist überladen und wirkt wenig motiviert, sowohl beim dahingesagten „Hacking“ als auch im langweilig gestrickten Krimi, womit „The Takeover“ nur eine weitere, blasse Fliese im Retortenpool von Netflix ist.
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