Alex fühlt sich fremd, als sie mit ihrem Mann Damian zurück in das irische Dorf zieht, das er vor Jahrzehnten hinter sich gelassen hatte. Der nahe nebelverhangene Wald ist ihr unheimlich, das Echo der Jagdgewehre erschreckt sie, und Damian beginnt zu schlafwandeln. Ein Todesfall in seiner Vergangenheit weckt Alex' Mistrauen und sie beobachtet mit wachsender Beunruhigung Damians seltsames Verhalten. Doch er kann sich am nächsten Tag an nichts erinnern. Oder ist sie es, die ihren Sinnen nicht trauen sollte?
Familiäre Traumata. Rückkehr ins Familienheim mit düsterer Geschichte. Ein mysteriöser Todesfall in der Vergangenheit. Albträume. Stadtleute ziehen in eine unheimliche dörfliche Umgebung. Burgruine mit gruseliger Legende. Beunruhigende alte Leute. Folkloristische Spukgestalt. Ein verfallenes Erziehungsheim mit schrecklicher Geschichte. Bedrohliche Hinterwäldler. Eine monströse Mutterfigur. Ein creepy geistig verwirrter Typ. Ein ungeklärter Todesfall. Schlafwandeln. Verbotene medizinische Experimente. Noch mehr familiäre Traumata. Schwangerschaft. Gaslighting. Ein dämonisch blickendes Kind auf einer Schaukel. Elsa Marpeaus Drehbuch lässt kein abgegriffenes Genre-Klischee aus.
Und Mélanie Delloye ist offenbar nicht die Regisseurin, die überflüssige Nebenstränge und lose Handlungsfäden zurechtschneidet oder zumindest zu einem soliden Ende spinnt. So zerfällt ihr zweiter Spielfilm in einen Wust unterentwickelter Motive, von denen einige reichlich Potenzial bieten, sowohl dramatisch als auch soziologisch. Doch Delloye geht es lediglich um den gesellschaftspolitischen Nimbus in ihrer Mär um die schwangere Alex (Zara Devlin, The Other Lamb), die im ehemaligen Familienheim ihres Gatten (Mark Huberman, The Hotel Haunting) an ihrer Vernunft zu zweifeln beginnt.
Ob und wozu Damian seine mit Textbuch-Traumata beladene Gattin manipulieren will lässt die unausgegorene Charakterentwicklung offen. Ebenso obskur bleiben der Bezug zur Banshee oder die „Nature vs Nuture“-Frage. Delloyes Antwort auf letzte implizieren allerdings ihre unangenehmen Negativ-Stereotypen von Unterschicht und Neurodiversität, die narrative Bezüge zu Beechwood und Willowbrook besonders abgeschmackt machen. Zwar liefern die mit passabler Kameraarbeit eingefangenen Landschaftskulisse praktisch von selbst die nötige Schauerstimmung, doch die versickert mangels dramatischen und thematischen Fokus schnell.
Fazit
Die solide Leistung der Hauptdarstellerin ist noch das Beste an Mélanie Delloyes wirrem Horror-Thriller. Dessen feministisches Framing demaskieren krude Klischees wie das der pervertierenden Mutterfigur und eines aggressiven Prekariats als kommerzielles Kalkül. Das einzig Konsistente in der vor psychologischen und dramaturgischen Widersprüchen strotzenden Schauerstory ist die unter den abgenutzten Genre-Versatzstücken modernde Angst des arrivierten Akademikertums, seinen Genpool durch unwissentliche Partnerschaft mit vermeintlich Degenerierten zu beflecken. Diese filmisch kanalisierte Paranoia ist auch gruselig - aber wenig unterhaltsam.
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