Inhalt
Australien im Jahr 1893. In der rauen Landschaft der Snowy Mountains regelt das Gesetz des „Stärkeren“ das Geschehen in der Stadt Everton. Doch genau hier ist die hochschwangere Molly Johnson mit ihren drei Kindern auf einer Farm abseits von Everton komplett auf sich allein gestellt. Ihr Mann ist seit Monaten fort zum Viehtrieb im Hochland. Bewaffnet mit einem Gewehr, einem Überlebenswillen aus Stahl und dem Beschützerinstinkt einer Mutter, ist Molly allerdings auf alles gefasst.
Kritik
Mit jeder Minute, die sich Leah Purcells (Jindabyne) erster Kinospielfilm in die Länge zieht, wird die Ambition der zudem als Hauptdarstellerin, Drehbuchautorin und Produzentin agierenden Regisseurin offensichtlicher: den Ruf einer feministischen Filmemacherin erlangen. Das geht idealerweise mit einem feministischen Film, als der ihr Outback-Western sich auch mit aller Macht anpreist. Paradoxerweise schadet gerade der aufdringliche Aussagewille sowohl der narrativen Struktur als auch der Glaubwürdigkeit der kargen Handlung. Jene ist eine Neuinterpretation Henry Lawsons gleichnamiger Kurzgeschichte.
Deren titelgebende Protagonistin erhält eine umfangreiche Geschichte, die bis zu den Großeltern ausgebreitet wird. Die geisterhafte Präsenz in mehrer Hinsicht wegweisender Ahninnen ist nicht nur ein reichlich albernes Klischee esoterischen Pseudo-Feminismus, sondern untergräbt auch den realistischen Anspruch der Vorlage: ein erfolgreich für die Bühne adaptiertes Kammerspiel, das auf der Leinwand kaum dramatische oder visuelle Kraft entfaltet. Der Spannungsbogen beschränkt sich im Wesentlichen darauf, wer sich als Nächstes auf die Veranda vor Mollys Blockhütte verirrt.
Ein wilder Stier, der zukünftige örtliche Sergeant Klintoff (Sam Reid, Waiting for the Barbarians) samt kränkelnder Gattin Louisa (Jessica De Gouw, Gretel & Hänsel), Kettenflüchtling Yadaka (Rob Collins, Tyler Rake: Extraction), ein ängstlicher Constable (Benedict Hardie, Joe vs. Carole) und Kumpane ihres gewalttätigen Gatten spazieren vor die Flinte der hochschwangeren Mehrfachmutter, die alle paar Minuten „My children!“ schreit. Die Definition aller relevanten Frauenfiguren über Muttergefühle und Männerbeziehungen enthüllt die Selbstermächtigung, die sich Purcells Akteurinnen statt auf die Fahne auf die Schürze schreiben, als so unausgereift wie die Inszenierung.
Fazit
Absurde Anschlussfehler, Logiklücken und bemühte Dialoge treffen in Leah Purcells Western-Drama auf melodramatischen Soundtrack, aufgesetzte Bildsprache und klägliche Kulissen. Zahllose Rückblenden überstrapazieren die ihrerseits als Rückblende erzählte Haupthandlung. Deren realistischen Anspruch torpedieren spirituelle Symbolik und anachronistische Phrasen, die ein politisches Bewusstsein behaupten, welches der an anderer Stelle Inszenierung komplett abgeht. Essenzielle Themen wie Passing und die Stolen Generation werden zugunsten feministischer Lippenbekenntnisse ignoriert. Die leidlich gespielte Literaturadaption hat augenscheinlich mehr aktivistische Ambitionen als cineastische.
Autor: Lida Bach