Wenn man es nicht besser wüsste, müsste man Franz Kafka als Urheber dieses finster-komischen Alptraums vermuten. Jedoch basiert der zweite Film des britischen Comedians Richard Ayoade tatsächlich auf Fjodor Dostojewskis 1846 veröffentlichter Erzählung „Der Doppelgänger“, in dem ein kleinmütiger Beamter von einem Doppelgänger jäh aus seiner Position verdrängt wird und am Ende als Wahnopfer in der Psychiatrie landet.
Nach seiner schräg-verhaltenen Pubertätskomödie „Submarine“, dessen gesamte Besetzung in Cameos auftaucht, nutzt Ayoade das Ebenbild-Motiv eher witzig-absurd statt wie das unentwirrbare Mysterium des brütenden „Enemy“. In einem perfekten, analogen Retro-Design entführt Ayoade in ein eigenes Universum, ein klaustrophobisches Niemandsland, wo Schlaglichter ein grobgliedriges Chiaroscuro in die ewige Dunkelheit stanzen.
Klaustrophobisches Niemandsland einer ständigen Nachtstadt
In diesem glanzlosen Setting einer ständigen Nachtstadt, bestehend fast nur aus beengten, deprimierenden Interieurs, entfaltet sich der Schrecken der Bürokratie und die Entfremdung des Subjekts bis zur völligen Auflösung seiner Identität. Dabei bedient sich Ayoade beträchtlich bei Soderberghs „Kafka“, Polanskis „Der Mieter“, Gilliams „Brazil“ und Hitchcocks „Fenster zum Hof“. Dazu eine Prise Tati, Orwell und Roy Andersson.
In dem satirischen Nachtmahr der kleineren Budgetklasse kann Jesse Eisenberg seine Ansätze als Freak und arroganter Aufschneider aus „The Social Network“ auf zwei konträre Rollen ausweiten: Einmal als unsicher-schamhafter Trottel, dessen Identität von einem impertinenten Hochstapler gestohlen wird. Und als jener Doppelgänger, der genauso selbstbewusst, cool und amoralisch agiert, wie er es gerne würde, aber nicht kann.
Auf Unterwerfung und Unsichtbarkeit konditioniert
Ihm zur Seite steht Mia Wasikowska („Spuren“), die ähnlich am Unbehagen dieser Dunklen-Korridor-Welt leidet und einem Betrüger auf dem Leim geht, der auch im Büro ohne einen Finger zu rühren Simons Ruhm einstreicht und alle Fehler ihm zuschiebt. Dass er Simon exakt gleicht, scheint niemand außer ihm selbst aufzufallen. Das Verhängnis dieser Existenzkomödie nimmt seinen unausweichlichen Lauf – mit tödlicher Pointe.
Im Film-Noir-Look mit seiner 60ies-Musik (teils japanischer Provenienz) und dem altem Design mit manch bizarren Apparaten bringt dem kümmerlichen Wicht jede Regung mehr Ärger ein. Die Tücke des Alltags und der Sadismus bürokratischer Kollegen schubsen ihn herum. Gegenwehr ist nicht möglich in einer Umwelt, die sich gegen ihn verschworen hat und ihn auf Unterwerfung und Unsichtbarkeit konditioniert.
Verschwinden einer Person zu einem Geist
Dies ist ein Gastbeitrag von Thorsten Krüger und http://kommsieh.de