Mit seinem Zombie-Drama "Train To Busan" feiert Regisseur Sang-ho Yeon weltweit große Erfolge und genießt reichlich mediale Aufmerksamkeit. Doch seine Zombie-Saga umfasst noch einen weiteren Film, der, so sagt man, zeitlich einen Tag vor "Train to Busan" angesiedelt ist. Wirklich logisch scheint diese Einordnung nicht zu sein, denn an dem Abend und der Nacht, in der "Seoul Station" spielt, bricht die Zombie-Epidemie vollkommen aus und lässt die ganze Stadt im Chaos versinken. "Train to Busan" spielt am Tage, vermutlich am Morgen danach, von all dem Chaos ist dort jedoch nichts zu sehen. Da der erzählerische Fluss zwischen beiden Filmen ohnehin nicht gegeben ist und beide Filme völlig andere Charaktere behandeln, kann man sie getrennt voneinander schauen, einen Mehrwert zieht man aus dem Double-Feature zumindest nicht.
Im Animationsbereich kennt sich Sang-ho Yeon bereits bestens aus, zuvor veröffentlichte er mit "The Fake" und "The King of Pigs" bereits zwei Vertreter, jedoch thematisch ganz woanders angesiedelt. Mit "Seoul Station" widmet er sich nun stilsicher dem Zombiegenre zu, visuell macht der Film ordentlich was her und und verpasst dem Genre so eine angenehm frische Note. Inhaltlich erfindet Sang-ho Yeon das Rad jedoch nicht neu, sein Film folgt gewohnten Genrekonventionen, was aber auch völlig in Ordnung ist. Ein Obdachloser wandert mit Bisswunde inmitten von Seoul durch die Menschenmenge, niemand schenkt ihm Beachtung, wer es doch tut ist angeekelt. Woher die Bisswunde stammt erzählt uns der Film nicht, welche Folgen sie hat können wir uns denken. Nach und nach bricht das Chaos aus, inmitten dieses folgen wir sowohl einem Mädchen, das sich durch Seoul schlägt und zu überleben versucht, als auch ihrem Vater und momentanem Freund (und gleichzeitig ihr Zuhälter), die sich als ungewöhnliches Gespann auf die Suche nach ihr machen.
Wie auch schon in "Train to Busan" reichert Sang-ho Yeon seinen Film mit Sozial- und Gesellschaftskritik an, im Falle von "Seoul Station" auch ein wenig geschickter. Im Fokus stehen hier die vielen Obdachlosen der Stadt, welche sowohl von der Politik als auch der Bevölkerung völlig ignoriert werden. Aber auch andere Probleme wie Prostitution oder die Machtlosigkeit des Polizeiapperats werden thematisch angeschnitten.
Ein weiterer Vorteil gegenüber "Train to Busan" ist auch die straffere Spielfilmzeit. Während "Train to Busan" in seinen zwei Stunden zwischenzeitlich Längen aufweist, ist "Seoul Station" deutlich angenehmer erzählt, das Pacing in den 90 Minuten ist weitestgehend angenehm.
Auch die Zombie-Survival-Geschichte hat ihre Reize. Sie ist, wie bereits zu Beginn erwähnt, keinesfalls neu, jedoch unterhaltsam genug aufgebaut und, trotz Animationen, ebenfalls blutig ausgefallen. Zum Ende hin gibt es sogar einen Twist, der tatsächlich zu überraschen weiß, dennoch ein wenig weit hergeholt ist. Kann man unter Umständen mögen, wird aber sicherlich nicht jedem gefallen.
Womit "Seoul Station" jedoch auf die Nerven geht ist die Vertonung der Figuren. Im Original werden manche Charaktere derart wehleidig synchronisiert, wobei fast jeder Text geschrien oder theatralisch-jammernd vorgetragen wird, dass man irgendwann beginnt die Charaktere dafür zu hassen. Vielleicht schafft hier irgendwann die übersetzte Synchronisation anderer Länder Abhilfe, so aber ist "Seoul Station" im Original teilweise sehr anstrengend.