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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Das Unfassbare passiert: Laurence Coly, eine junge Frau aus dem Senegal, legt ihr 15 Monate altes Baby ins Meer. Der Säugling stirbt. In der nordfranzösischen Stadt Saint Omer soll Coly der Prozess gemacht werden. Mord oder nicht – das ist die Frage. Zunächst. Im Gerichtssaal sitzt auch eine andere junge Frau: Rama. Die aus Paris angereiste Professorin und Schriftstellerin stammt ebenfalls aus dem Senegal. Sie identifiziert sich mit der Angeklagten und will eine Reportage über den Prozess schreiben. Das Verfahren beginnt, und nach den ersten Aussagen wird klar, dass nichts klar ist. Wer sitzt hier wirklich auf der Anklagebank? Und wie schnell fällen wir ein Urteil im Angesicht unvorstellbarer Taten?

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Im September letzten Jahres veröffentlichte das führende französische Branchenmagazin Le Film Francais ein Cover mit sieben ausgewählten Filmschaffenden, die das Kino im kommenden Jahr erobern würden. Alice Diop (Le mort de Danton) war nicht darunter; tatsächlich war keine der Personen nicht männlich, weiß und aus den privilegierten Gesellschaftsschichten. Die Episode führt nicht nur anschaulich den Lobbyismus einer überwiegend cis-männlichen, weißen, bourgeoisen, straighten Filmbranche und ebenso zusammengesetzten Filmkritik vor, sondern den dringenden Bedarf an künstlerischen Stimmen wie der Alice Diops.

Die gebürtige Pariserin senegalesischer Abstammung widmet sich in ihrem eindringlichen Spielfilmdebüt erneut den mehrfach Marginalisierten, die im Fokus ihrer Dokumentararbeit standen. Ein doppeldeutiger Verweis auf die lokale Ausgrenzung derer, die als außerhalb des sozialen Gefüges betrachtet werden, ist der titelgebende Gemeindename. Hier beobachtet die junge Autorin Rama (Kayije Kagame) - ein unverkennbares Alter Ego der Regisseurin und Co-Drehbuchautorin - den Prozess der des Mordes an ihrer 15 Monate alten Tochter angeklagten Studentin Laurence Coly (Guslagie Malanga).

Die familiären, kulturellen und biografischen Parallelen zwischen der undurchsichtigen Angeklagten und der ihrerseits schwangeren Zuschauerin verdichten sich zu einem faszinierenden perspektivischen Prisma. Das untersucht die komplexen Mechanismen emotionaler Entfremdung, systemischer Stigmatisierung und unterschwelligen Otherings mittels geschickter Dekonstruktion der pathetischen Parameter des Gerichtsdramas. Die Fragen nach juristischer, moralischer und gesellschaftlicher Schuld enthüllen mehr als die konfrontativen Antworten einer nur scheinbar egalitären Gerichtsbarkeit. Deren latenter Rassismus und eurozentristische Arroganz betonen beider Frauen verstörende Verbundenheit innerhalb unüberwindbarer Distanz.

Fazit

In ihrem darstellerisch und dramaturgisch gleichermaßen herausragenden Spielfilmdebüt folgt Alice Diop den Verknüpfungen von Nähe, Ausgrenzung und Dissoziation auf sozialer, familiärer und individueller Ebene. Geprägt von ihrer kathartischen Auseinandersetzung mit dem Prozess der des Mordes angeklagten Fabienne Kabou entsteht ein ebenso intimes wie differenziertes Doppelporträt, dessen Protagonistinnen zugleich vertraut und unbekannt, gegensätzlich und spiegelgleich erscheinen. Mit seltener Schärfe erfasst die fesselnde Inszenierung die konservativen Konstanten scheinegalitärer Strukturen und entfaltet in der Opposition ihre subtile Stärke.

Kritik: Lida Bach

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