Inhalt
So kann es nicht weitergehen! Seit Langem redet Bruno kaum noch mit seinem Vater Jean. Als sie sich auf der Pariser Landwirtschaftsmesse über den Weg laufen, bei der Bruno traditionell eine Weinreise unternimmt, ohne jemals das Gelände zu verlassen, beschließen sie, es diesmal anders zu machen. Eine echte Weinreise muss her! Obwohl man die beiden eher voreinander schützen müsste, sitzen sie kurzentschlossen gemeinsam im Taxi des jungen Mike und fahren schnurstracks nach Saint Amour, dem malerischen Weinort im Beaujolais. Eine Gegend der Weinberge und kleinen Restaurants, in der alles möglich scheint. Vielleicht ja auch, dass Jean und Brunos Differenzen sich auflösen, und sie wieder zueinander finden.
Kritik
Wer sich auf das Gespann und Regie-Duo Gustave Kervern und Benoît Delépine (Louise hires a Contract Killer, Mammuth) einlässt, bekommt wohl vor allem eines: Vulgären Anarchisten Humor, der wahrlich kein Auge trocken lässt, aber auch nicht vor der berühmten Gürtellinie halt macht. Da werden dann auch gerne bekannte Klischees mit überdrehten Figuren gekreuzt, sodass der Zuschauer schließlich seinen gewohnten Witz serviert bekommt. Im Falle von Saint Amour - Drei gute Jahrgänge greift dieses Schema durchaus ein weiteres Mal, jedoch mit einer großen Ausnahme: Die beiden Hauptfiguren Jean (Gérard Depardieu) und Bruno (Benoît Poelvoorde), die schließlich vom Taxifahrer Mike (Vincent Lacoste) auf ihrem Roadtrip durch die Weinlandschaft Frankreichs unterstützt werden, sind keinesfalls nur taumelige Männerkatastrophen, sondern viel eher leidvolle Charaktere, die hinter Sexismus und Alkoholismus – die im Film auch teils exzessiv und visuell ausbrechend dargestellt werden – nur einzig auf der Suche nach Liebe sind. Viel mehr noch: Einer heiligen Liebe, die wohl so kaum zu finden ist. Somit wechselt Saint Amour stets zwischen sensibler Figurenstudie und Vorschlagshammer Unterhaltung hin und her. Gerade dies führt aber auch dazu, dass die eigentliche Botschaft dem Zuschauer nicht immer erkennbar ist.
Somit wird der Zuschauer – gerade mit Blick auf Bruno der zu Beginn ausführlich die verschiedenen Stadien des Trinkens erklärt – Anfangs durchaus auf eine falsche Fährte geführt. Zwar bedient sich Saint Amour sehr stark des berühmten anarcho Humors des Regie-Duos, ist an vielen Stellen politisch unkorrekt (eine wilde Verirrung aus Klischees, Stereotypen und Beleidigungen) und vollkommen überdreht, aber dann eben auch wieder sehr tiefgreifend und sensibel. Zumindest kann das ungewöhnliche Dreiergespannt über den Film hinweg mehr als einmal eine emotionale Geschichte offenbaren, die sich vor allem auf Beziehungen konzentriert. Seien dies die ungewöhnlichen Beziehungen zwischen den drei Männern und den Frauen, die im Film auch durchaus ihre sexuellen Höhepunkte bekommen, oder eben die Beziehungen zwischen den Dreien selbst. Aber wohl vor allem die Vater-Sohn-Erzählung weiß zu gefallen. Gar schon sanft wird hier ein Drama – zwischen all den humorvollen Tönen – offenbart, welches durchaus am Ende eine gewisse Brisanz besitzt. Wenn auch angesichts der vorherigen Geschichte sehr konsequent. Zumindest gibt es für den Film hier das Ende, was er wohl verdient hat.
Was Saint Amour wohl über Wasser hält, also da wo der Wechsel zwischen Drama und Komödie nicht immer gelingt, ist wohl sein starker Cast. Allen voran Gérard Depardieu der hier kein Genussmensch spielt, sondern eher durch sein sanftes wie emotionales Spiel auftrumpfen kann. Endlich wieder eine gelungene Abwechslung zu den zurückliegenden Skandalen. Doch auch Benoît Poelvoorde spielt gewohnt hervorragend und überdreht, während Vincent Lacoste als Mike wie ein kleiner Anker fungiert. Doch auch der Rest des Casts, hier wohl besonders Céline Sallette als Venus, überzeugt und bringt die Hauptfiguren gekonnt voran, ohne selbst zu Schablonenhaft zu wirken.
Fazit
Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich Saint Amour - Drei gute Jahrgänge als feinfühliges und gar schon sanftes Beziehungsdrama, welches besonders mit leisen Tönen zu überzeugen weiß. Allerdings gibt es da dann auch die lauten Töne, die vulgär, überdreht und gar schon anarchistisch den Zuschauer vor den Kopf stoßen. Zwar lädt dies durchaus zum schmunzeln ein, aber die Mixtur weiß nicht immer zu überzeugen. Genre-Freunde werden aber dennoch ihre Freude haben und sei es nur aufgrund des wirklich gelungenen Casts.
Autor: Thomas Repenning