Inhalt
Ein neues Virus bricht aus und rafft die reichsten und einflussreichsten Menschen der Welt dahin. Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als Laura (Mary Elizabeth Winstead) kurz davor steht, all ihre Träume von sozialem Erfolg zu verwirklichen! Die leitende Angestellte einer aufstrebenden Streaming-Plattform wird dank einer überraschenden Beförderung in die elitärsten Kreise aufgenommen, kann ihre Tochter Anna (Dixie Egerickx) auf die exklusivsten Schulen schicken und muss sich keine finanziellen Sorgen mehr machen. Doch das Virus schlägt immer breitere Schneisen in die westliche Gesellschaft: Wirtschaftsimperien wanken, der Aktienmarkt bricht ein und flächendeckendes Chaos bricht aus. Als alle Reichen versuchen, sich aus den Metropolen in Sicherheit zu bringen, flüchtet auch Laura gemeinsam mit ihrer Tochter, ihrem Mann (Rafe Spall) und ihrer Mutter (Lorraine Bracco) auf einer hochriskanten Route aus Europa. Aber kann das Virus je weit genug entfernt sein?
Kritik
Regisseur Matteo Garrone brachte dieses Jahr mit Ich Capitano eine überaus aktuelle Geschichte auf die Leinwand, die von der gefährlichen Reise zweier Freunde aus dem Senegal nach Europa erzählt. Es ging um Hoffnung, Überlebenswillen und der Suche nach einem besseren Leben. Rich Flu hingegen wählt einen völlig anderen Ansatz: Hier sind es nicht Afrikaner, die auf der Suche nach Sicherheit und Wohlstand fliehen, sondern reiche Europäer, die vor einer mysteriösen Seuche Schutz suchen. Diese Krankheit befällt ausschließlich die Elite – Ölbarone, Tech-Milliardäre und Hollywood-Mogule. Regisseur Galder Gaztelu-Urrutia inszeniert eine groteske Satire über die Abgründe von Macht und Privilegien, die jedoch mehr Konzept als kohärentes Erlebnis bleibt.
Im Zentrum steht Laura, gespielt von Mary Elizabeth Winstead (10 Cloverfield Lane), die als Filmproduzentin im Schatten der Superreichen agiert. Ihr Ziel ist es, eines Tages selbst das Sagen zu haben. Durchaus skrupellos manövriert sie sich durch die Intrigen ihrer Branche und schreckt nicht davor zurück, persönliche Beziehungen zu opfern – inklusive der zu ihrer Tochter, die bei ihrem Ex-Mann (Rafe Spall, The Ritual) in Spanien lebt. Schon in den ersten Minuten macht der Film klar, dass Authentizität keine Priorität ist. Vielmehr handelt es sich um eine bewusst überzeichnete Allegorie, die in zwei klare Hälften zerfällt. Der erste Teil zeigt die schleichende Ausbreitung des Virus und die eskalierenden gesellschaftlichen Verwerfungen. Der zweite begleitet Laura und ihre Familie auf ihrer Flucht nach Afrika.
Visuell und thematisch präsentiert der Regisseur einige faszinierende Ideen. Infizierte erkennt man nicht an klassischen Krankheitssymptomen, sondern an makellos weißen Zähnen – ein cleverer Kommentar auf das Symbol von Reichtum und Gesundheit, das hier ins Perverse verkehrt wird. Ebenso bissig sind die Szenen, in denen die Reichen verzweifelt versuchen, ihren Wohlstand loszuwerden, um ihre Haut zu retten. Doch trotz dieser Momente verliert die Satire im Verlauf an Schärfe. Die Erzählung gleitet allmählich in ein Drama ab, das versucht, emotionale Tiefe zu erzeugen, dabei jedoch seine vorherige Überzeichnung nicht abschütteln kann.
Der Übergang zwischen den Hälften ist holprig. Der Wechsel vom zynischen Gesellschaftskommentar zum ernsthaften Fluchtdrama wirkt unfokussiert. Die in der ersten Hälfte etablierten satirischen Elemente werden fallen gelassen, ohne dass der Film eine neue, überzeugende Richtung einschlägt. Stattdessen hinterlässt die zweite Hälfte den Eindruck, als ob der Regisseur auf halbem Weg das Interesse an seiner ursprünglichen Idee verloren hätte. Was zunächst wie eine kluge Demontage der Machtstrukturen der Reichen beginnt, endet in einem narrativen Flickwerk, das weder als Satire noch als Drama vollständig überzeugt.
Dennoch hat Rich Flu seine Reize. Fans von Galder Gaztelu-Urrutias vorherigen Werken Der Schacht und Der Schacht 2 (beide exklusive Netflix-Erfolge) werden möglicherweise auch hier fündig. Der Film wagt es, zwischen polemischer Gesellschaftskritik und stiller Verzweiflung zu pendeln, auch wenn er dabei oft ins Straucheln gerät. Am Ende bleibt vor allem das Gefühl, dass hier eine große Idee nicht konsequent genug verfolgt wurde. Die satirischen Ansätze werden durch den Versuch, emotionales Gewicht zu erzeugen, verwässert. Der Film verlässt einen nicht nur unberührt, sondern lässt einen auch eher ratlos zurück – als hätte er selbst vergessen, was er eigentlich sagen wollte.
Fazit
„Der Schacht“-Regisseur Galder Gaztelu-Urrutia präsentiert einige spannende Ansätze, doch die unausgegorene Mischung aus Satire und Drama führt zu einer fragmentierten Erzählung. Weder als Gesellschaftskritik noch als Fluchtdrama wirklich überzeugend. Am Ende eher ein schnell verhallender Husten als eine nachhaltige Grippe.
Autor: Sebastian Groß