5.7

MB-Kritik

Rabid 2019

Sci-Fi, Horror

5.7

Laura Vandervoort
Ted Atherton
Mackenzie Gray
Kevin Hanchard
Heidi von Palleske
C.M. Punk
Edie Inksetter
Sylvia Soska
Jen Soska
Greg Bryk
Earl 'Bubba' McLean Jr.

Inhalt

Rose ist eine unscheinbare und zurückhaltende Schneiderin. Ihr größter Wunsch ist es, eine berühmte Designerin zu werden. Dieser Traum scheint zu platzen, als ein schrecklicher Unfall sie fast komplett entstellt zurücklässt. Dank einer radikalen Stammzellbehandlung ändert sich allerdings alles: Die jetzt bildhübsche Rose wird plötzlich für ihre Arbeit bewundert, aber zunehmend von schrecklichen Visionen geplagt, in denen sie wahllos Menschen umbringt und gierig deren Blut trinkt. Was steckt hinter all dem? Als Rose hinter das schreckliche Geheimnis kommt, ist es fast schon zu spät …

Kritik

Konventionell war der Output von David Cronenberg (A History of Violence) nur selten veranlagt. Die bauchige Ungestümheit seines Frühwerks konnte der kanadische Filmemacher aber auch im weiteren Verlauf seines nahezu durchweg hochkarätigen Schaffens nur noch selten einholen. Das Besondere an damaligen Schockern wie Parasiten-Mörder, Die Brut und Rabid – Bete, dass es nicht Dir passiert war, dass sie nicht nur enthemmtes Genre-Kino darstellten, sondern auch visionäre Geschichten zu erzählen wussten, deren grundlegende Prägung von universeller Beschaffenheit gewesen sind. Rabid ist dafür ein Paradebeispiel, ging es Cronenberg nicht nur um den reinen Body Horror, sondern auch um den düsteren Blick auf eine Gesellschaft, deren immerwährender Drang nach Fortschritt und sexueller Revolution zur Deformation der menschlichen Existenz führt. Physisch wie psychisch. Cronenberg erforschte die Schattenseiten der Innovation.

Ein thematischer Ansatz, der sich natürlich auch ganz wunderbar in die Gegenwart übersetzen lässt, potenziert sich das Streben nach wissenschaftlicher, sozialer und wirtschaftlicher Aufwärts- wie Weiterentwicklung doch kontinuierlich. Jen und Sylvia Soska (Dead Hooker in a Trunk), die sich durch Filme wie American Mary und See No Evil 2 den Spitznamen Twisted Sisters einbrachten, beweisen mit ihrer Rabid-Neuverfilmung nun erst recht, wie zeitlos der Stoff doch eigentlich ist, mit dem David Cronenberg bereits Ende der 1970er Jahre an den Start gegangen ist. Im Zentrum des Geschehens steht die Schneiderin Rose (Laura Vandervoort, Jigsaw), die von einer schillernden Karriere als Designerin träumt, in der Realität aber vor allem mit der Missgunst ihres Chefs, dem Fashion-Guru (Mackenzie Gray, Man of Steel), zu ringen hat. 

Wer das Original gesehen hat, der weiß, dass Rose nicht lange in diesem Zustand aus Unterschätzung und Demütigung verharren muss, wird sie durch die Folgen eines schweren Verkehrsunfalls doch regelrecht neu geboren. Die Möglichkeiten der modernen Medizin verwandeln die unscheinbar-verletzliche Rose zu einen – im wahrsten Sinne – männermordenden Vamp, was die Soska Schwestern erst einmal nutzen, um das Blutsauger-Motiv mit den stetig ansteigenden Verheerungen des Seuchen-Kinos in Verbindung zu bringen. Keimzelle des erst subkutanen, später aber allgegenwärtigen Horrors bleibt dabei die von Profilneurosen heimgesuchte Modeszene, in der die Gestaltwandlung bereits zum Tagesgeschäft gehört, durch die drastischen Konsequenzen der Stammzellenbehandlung von Rose aber noch einmal auf eine neue, weitaus perversere Ebene gehoben wird. Bisweilen erinnert Rabid dabei an die Verachtung, die auch Nicolas Winding Refn in The Neon Demon heraufbeschworen hat.

Das Schöne an Rabid ist, dass sich die Twisted Sisters nicht davor sträuben, über die Länge zu schlagen. Fraglos sind die Nebencharaktere allesamt unzureichend ausgereift, was es für den Film immer wieder merklich kompliziert gestaltet, eine echte, ausgewogene Charakterdynamik zu entfesseln. Der hiesige Wust aus Motiven, der die gallige Satire mit dem Schönheitswahn, Transhumanismus, menschlicher Hybris, geschlechterspezifischen Machtstrukturen und der sexuellen Selbstermächtigung in Berührung bringen, bleibt etwas zu halbgar, weil die beiden Regisseurinnen es nicht vollbringen, der inhaltlichen Dichte die nötigen Grundierung zu schenken. Sie punkten aber damit, die sklavische Abhängigkeit vom Original abzulegen und das engstirnige Konzept der Menschlichkeit aus allen surrealen Rohren zu befeuern. Gerade die letzten zwanzig Minuten dieser überraschend hochwertigen Frischzellenkur zeigen die Leidenschaft der Schwestern dahingehend, Alpträume lebendig werden zu lassen.

Fazit

Überraschend hochwertig arrangierte Frischenzellenkur für David Cronenbergs famosen Klassiker. Etwas zu steril, um der schmuddeligen Tristesse des cleveren Originals das Wasser zu reichen, für sich genommen aber allein deswegen sympathisch, weil die Twisted Sisters den Mut aufbringen, auch mal über die Stränge zu schlagen. Inhaltlich ist das nicht ausgereift, aber als tollwütiges Großstadt- respektive Milieuporträt über eine von sich selbst abgespaltene Gesellschaft macht diese plakative Abrechnung mit dem engstirnigen Konzept der Menschlichkeit irgendwie... Laune.

Autor: Pascal Reis
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