Inhalt
22 Jahre nach den Ereignissen in "Psycho" wird Norman Bates jetzt aus der Psychiatrie als geheilt entlassen und kehrt in das Haus seiner Mutter mit dem kleinen Motel zurück. Lila Loomis, die ihm damals fast zum Opfer gefallen war, ist nicht davon überzeugt, daß Norman gesund ist und macht sich daran, das nachzuweisen. Doch im Ort sind alle guter Hoffnung. Schon bald jedoch erklingt wieder die Stimme von Normans Mutter aus den alten Räumen und Zettelchen mit Nachrichten finden sich allerorten. Normans geistige Gesundheit leidet wieder Schaden, was auch die Freundschaft zu der Snack-Bedienung Mary nicht ganz ausgleichen kann. Bald gibt es die erste Leiche und keiner ahnt, daß mehrere Leute daran arbeiten, Norman seiner ursprünglichen Bestimmung zuzuführen.
Kritik
Zu Beginn erst einmal ein Echo aus der Vergangenheit: Noch einmal rekapituliert Psycho II den Mord an Marion Crane aus dem epochemachenden Vorgänger von Alfred Hitchcock (Im Schatten des Zweifels). Etliche Messerstiche jagen auf den nackten Körper der Frau ein. Immer wieder, bis sie schließlich auf den Boden der Dusche niedersinkt. Alles, wirklich alles, an dieser Szene ist ikonisch, nachhaltig, unverwüstlich. Die Montagetechnik, die Kameraführung, die musikalische Begleitung von Bernard Herrmann, das Schauspiel von Janet Leigh (The Fog – Nebel der Grauens). Natürlich muss Regisseur Richard Franklin (Link, der Butler) diesen Weg beschreiten; er muss zwangsläufig eine solche Eröffnung wählen. Geht es ihm hier doch auch darum, dem Meilenstein aus dem Jahre 1960 Tribut zu zollen, um daraufhin – mehr oder weniger – auf eigenen Beinen zu stehen.
Das ungemein Sonderbare daran: Eigentlich ist Psycho II eine kinematographische Kamikazeaktion, glatter künstlerischer Selbstmord, denn eine Fortsetzung zu Psycho ist von vornherein zum Scheitern verdammt. Dass der Film dennoch aufgeht, liegt an zwei entscheidenden Faktoren. Nicht nur ist es die Kompetenz der Verantwortlichen, die ausschlagend ist, sondern auch die Aufnahmebereitschaft des Publikums, sich auf ein Werk einzulassen, dessen reine Existenz von Grund auf, nun ja, mindestens fragwürdiger Natur ist. Nachdem sich der Titel in roten Lettern über den gesamten Bildschirm ausgebreitet hat, treffen wir auf einen gealterten Norman Bates (Anthony Perkins, Mord im Orient Express), der nach zweiundzwanzig langen Jahren aus der Psychiatrie entlassen wird. Das Urteil vor Gericht erkennt ihn aufgrund einer Geisteskrankheit für schuldunfähig, der schizophrene Mörder darf wieder in die zivile Welt hinaus.
Der Erfolg von Psycho II basiert zu einem nicht unwesentlichen Teil auf der Rückkehr von Anthony Perkins. Norman Bates ist seine Paraderolle gewesen, kaum jemand anders wäre eine idealere Besetzung für diesen von gleichermaßen fragilen wie destruktiven Impulsen durchzogenen Charakter. Die emotionale Bandbreite, die Perkins nun auch im Sequel zu meistern hat, ist für den Schauspieler sicherlich auch ein ungemein persönliche Herausforderung gewesen, muss er sich doch seinem Vermächtnis ein weiteres Mal annehmen, es ausbauen, weitergehend enthüllen – und es gelingt ihm. Sein Kampf um ein normales Leben ist gleichermaßen ein nervenaufreibendes Gefecht gegen die eigenen Dämonen. Psycho II lässt seinen Protagonisten dabei nur selten aus den Augen, Richard Franklin und Drehbuchautor Tom Holland (Chucky – Die Mörderpuppe) geht es gezielt darum, das seelische Leid dieser Figur erkennbar nachzuzeichnen.
Fraglos krankt die Qualität Psycho II nicht nur daran, dass er zwangsläufig im Schatten seines übergroßen Vorgängers verkehren muss und damit einem unfairen Vergleich haushoch unterliegt. Die Geschichte selbst gibt sich zusehends überkonstruierten Entscheidungen hin, die dieses eigentlich bescheidende, gekonnt mit stimmungsvoll arrangierten Horror-Elementen versehene Charakter-Drama zu abstrus erscheinen lassen. Eigentlich nämlich erzählt der Film von Schuld und Scham, von Neuanfang und Rückfall, von Verantwortung und den Geistern, die sich einfach nicht aus dem eigenen Wesen vertreiben lassen. Schreckgespenster, deren Schatten sich auch nach zweiundzwanzig Jahren immer noch unheilvoll an die heimischen Wände niederschlagen. Genau so, als wären sie nie weg gewesen. Im Kern erzählt (auch) Psycho II über den immerwährenden Schmerz einer gepeinigten Seele, deren Recht auf Leben ihr bereits in Kindertagen versagt wurde. Schade, dass der Film sich vor allem am Ende in derartigen Kuriositäten verrennt.
Fazit
Natürlich ist die Existenz von "Psycho II" diskutabel, allein deshalb, weil er den unumstößlichen Meilenstein von Alfred Hitchcock fortsetzt. Wenn man sich allerdings etwas beruhigt und versucht, dem Film auf Augenhöhe zu begegnen, dann erkennt man eine stimmungsvoll inszenierte und von Anthony Perkins kompetent in der Hauptrolle getragene Fortschreibung des Klassikers. Die Mixtur aus Charakter-Drama und Horrorfilm geht unter der gekonnten Aufsicht von Richard Franklin durchaus auf, noch immer steht der Schmerz des Mörders und sein Kampf um ein normales Leben im Mittelpunkt. Würde "Psycho II" nicht irgendwann gnadenlos ins Überkonstruierte ausbrechen, könnte man hier von einer wirklich tadellosen Fortsetzung sprechen.
Autor: Pascal Reis