Inhalt
Die polnischen Schtetl in den 1930er Jahren, – das war eine andere Welt. Polen und Juden lebten Seite an Seite, das gemeinsame Leben war Normalität. Geblieben sind davon nach dem Krieg nur verstreute Ruinen, Erinnerungen, Lieder und Fotos. Jolanta Dylewska sammelte Amateuraufnahmen, verband sie mit authentischen Texten und schaffte so etwas, was jahrzehntelang für unmöglich gehalten wurde: Die starr gewordenen Bilder der Erinnerung lernten wieder laufen. Der Film mit Hanna Schygulla als Sprecherin dokumentiert, wie die galizischen Juden in der Zwischenkriegszeit lebten, wie sie arbeiteten, feierten und beteten. Damit gelang Dylewska ein wunderbares Porträt einer Kultur, die bald danach ausgelöscht wurde.
Kritik
Die Anzahl an Dokumentationen, Reportagen, Filmen, Serien und anderen Medien relevanten Projekten rund um das Thema des zweiten Weltkrieges sind so zahlreich wie zu kaum einer anderen Zeitepoche der jüngeren Vergangenheit und obwohl jede Auseinandersetzung mit dem Thema wichtig ist, so kommt man als Otto Normal Bürger doch nicht umher eine gewisse Übersättigung in jenem Bezug zu verspüren. „Po-lin“ der polnischen Regisseurin Jolanta Dylewska wirkt auf den ersten flüchtigen Blick wie eine weitere Dokumentation über das Schicksal polnischer Juden unter dem Regime von Nazi-Deutschland, doch bereits nach wenigen Minuten merkt man, dass hier eine völlig andere Perspektive offenbart wird.
Dylewska zeichnet anhand diverser Amateurfilm Aufnahmen aus den 30er Jahren ein Bild von friedlicher Koexistenz zweier Völker, die im laufe der Jahre viel Leid über sich ergehen lassen mussten und nun in Polen ein idyllisches Fleckchen Erde gefunden haben. Zusammen mit Zeitzeugen wirft die Regisseurin einen Blick auf jene Aufnahmen und erweckt so ein lange vergessenes Kapitel polnisch-jüdischer Geschichte wieder zum Leben. Es sind Aufnahmen aus dem Alltag verschiedenster Klein- und Großstädte Polens, die den Zuschauer mit auf eine Reise durch die frühen 30er Jahre nehmen, um so einen Blick auf die Arbeit, die Religion und die Feste der dort lebenden Menschen zu werfen. Erst wenn die Berichte der Zeitzeugen dazu kommen wechselt der Tonfall der Dokumentation und einem wird schlagartig bewusst, dass die in der Dokumentation gezeigten Aufnahmen, all jene glücklichen Menschen, schon lange der Vergangenheit angehören, ausgelöscht von einer unmenschlichen Diktatur und dem Völkerhass eines Massenmörders.
Trotz dieser Erkenntnis, oder vielleicht gerade deswegen, propagiert die Doku doch in erster Linie die schönen Seiten der damaligen Zeit, eine willkommene Abwechslung für den Zuschauer, der die Bilder vom Leid und Elend jener Menschen zwar nie abschütteln kann, dennoch für kurze Zeit in eine heile Welt entführt wird, fernab von Krieg und Deportation. Jene harmonische Koexistenz zwischen Einheimischen und Auswanderern setzt ein Statement, welches gerade in der aktuellen politischen Situation in Europa wichtiger den je ist, denn von uns allen bleiben irgendwann nur Fotos und Erinnerungen und es liegt an uns diese mit so viel positiver Energie zu füllen wie uns nur möglich ist.
Fazit
„Po-lin“ ist eine kleine Dokumentation über eine längst vergangene Epoche polnisch-jüdischer Geschichte der 30er Jahre, die überschattet wird durch die Ereignisse die nur wenige Zeit später folgen sollten.
Im Zuge der jüngste Flüchtling Debatte in Europa bietet die Doku dennoch einen positiven Kontrast in ihrer Darstellung einer friedlichen Koexistenz zweier unterschiedlicher Volksgruppen auf dem selben Raum.
Autor: Sebastian Pierchalla