Inhalt
Petter ist ein leidenschaftlicher Taucher, der in den frühen 80er Jahren für die norwegische Regierung arbeitet. Gerade sind auf dem Meeresgrund vor Norwegen riesige Öl- und Gasvorkommen entdeckt worden. Dem Land steht möglicherweise immenser Reichtum bevor. Aber nur, wenn man es schafft, die Bodenschätze abzubauen. Damit Menschen überhaupt in so einer extremen Tiefe überleben können, ist ein neuartiges Gasgemisch notwendig. Petter und sein Bruder Knut sind Teil eines kleinen Teams, das dieses neue Gasgemisch testen soll. Doch bei einem Tauch-Test stirbt Knut unter mysteriösen Umständen. Die offizielle Version zu seinem Tod lautet Unfall, doch Petter kann das nicht glauben. Also beginnt er Fragen, zu stellen und stößt dabei schnell auf zahlreiche Ungereimtheiten. Er begreift noch nicht die wahren Ausmaße der Verstrickungen und erst langsam versteht Petter, dass eben nicht die Tiefen des Meeres die eigentliche Gefahr sind und sein eigenes Leben gerade auf dem Spiel steht...
Kritik
Wer den zutiefst düsteren Krimi „Todesschlaf“ von Erik Skjoldbjærg gesehen hat, dem norwegischen Inspirationspuhl für Christopher Nolans ebenfalls außerordentlich gelungene Auftragsarbeit „Insomnia – Schlaflos“ mit Al Pacino in der Hauptrolle, der weiß, zu welch bildgestalterischer Klasse der skandinavische Regisseur doch in der Lage sein kann. Und genau dieser Aspekt, diese visuelle Suggestion, die das Kino Skjoldbjærg auf seine Zuschauerschaft auszuüben weiß, lebt auch in seinem maritimen Polit-Thriller „Pioneer“ weiter, der sich eine wahre Begebenheit zur Grundlage geschaffen hat: Zurück in die 1970er Jahre entsendet, finden wir uns an dem Abschnitt wieder, an dem die norwegische Regierung ein enormes Öl- und Gasvorkommen in der Nordsee entdeckte. Problematisch sollte sich für die Förderung der Ressourcen allerdings die Tiefe des Meeres herausstellen, was Norwegen dazu veranlasste, ein multinationales Expertenteam aus professionellen Tauchern zusammenzustellen, die gemeinschaftlich in der Lage sein sollten, eine Pipeline anzulegen und Norwegen so zum reichsten Land des Erdballs zu erklären.
Wo allerdings Unsummen vom elendigen Mammon fließen, lässt auch der Skandal nicht lange auf sich warten: Ein Besatzungsmitglied, Knut (André Eriksen), stirbt mysteriöserweise direkt bei dem ersten Tauchgang, aber weder die Norweger noch die Amerikaner scheinen irgendein Interesse dafür aufbringen zu können, den Gründen für sein tragisches Dahinscheiden nachzuspüren – Bis auf seinen Bruder Petter (Aksel Hennie), der ebenfalls Teil des vom Staat autorisierten Taucherteams war. Man muss „Pioneer“ zugutehalten, dass sich das Drehbuch von – verfasst von ganzen fünf Autoren – nie als anti-kapitalistisches Pamphlet interpretieren lässt, sondern sich ganz auf seine Genre-Parameter fokussiert. Petter wird zu einem Archetypen des politischen Films – Einem rechtschaffenen, einem seiner Passion nunmehr desillusioniert entgegentretenden Bürger, der bis zuletzt für die Wahrheit kämpft und durch seine bohrenden Nachforschungen in Windeseile sein eigenes Leben aufs Spiel setzt. „Pioneer“ lässt den Zuschauer dabei auch über lange Zeit im Unklaren, wer die eigentlichen Drahtzieher im hintergründigen Dunkel denn nun wirklich sind.
Allerdings lässt sich der Vorwurf nicht falsifizieren, dass „Pioneer“ an seinem realen Kontext gehörig leidet: Wie in Ketten bemüht man sich, nicht über das eigentliche Ziel hinauszuschießen, authentisch zu erscheinen, die siedende Spannung aufrecht zu erhalten, ohne wirklich zu bemerken, dass sich die Dramaturgie zunehmend aus ungemein konventionellen Mustern gebiert. Mitreißend ist „Pioneer“ aufgrund seines Inhalts nur selten, seine wahren Stärken liegen im offenkundig visuellen Bereich begraben. Die Unterwasseraufnahmen, die Erik Skjoldbjærg und Jallo Faber hier kreiert haben, treten oftmals in wirklich beeindruckender Fasson auf: Allein eine von der französischen Band AIR begleitete Mondlandungsanalogie bereitet einen wirklich memorablen, ja, beinahe schon ehrfurchtsvollen Augenblick auf, weil „Pioneer“ dort in geballtem Ausmaß veranschaulicht, wie präzise er Räumlichkeiten auszuloten weiß, um sie anschließend auch konsequenterweise zu transzendieren. Wie befriedigend also wäre es nur gewesen, mit „Pioneer“ einen Film zu erleben, in dem sich Form und Halt gegenseitig stützen. Vielleicht gelingt das ja dem von George Clooney produzierten US-Remake.
Fazit
Inhaltlich weitestgehend einer konventionellen Dramaturgie verpflichtet, speist sich die wahre Stärke von „Pioneer“ aus seiner atmosphärischen Bildgestaltung: Die Unterwasseraufnahmen wissen zum Teil wirklich zu beeindrucken, was dem Film inhaltlich offensichtlich ordentlich Schlagseite verpasst.
Autor: Pascal Reis