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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Nach Jahren der Abwesenheit kehr Jérémie in seine Heimat, das kleine Dorf Saint Martial im Südosten Frankreichs, zurück. Grund ist der Tod des Dorfbäckers Jean-Pierre, der Jérémie früher das Bäckerhandwerk gelernt hat. Doch die beiden verband scheinbar mehr als nur das Handwerk und Jérémies Rückkehr wirbelt die Geschehnisse im beschaulichen Dorf alsbald durcheinander.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Es beginnt mit einer langen Autofahrt ins Ungewisse. Wortlos gleiten wir durch ein ländliches Frankreich, während sich das Licht in den staubigen Autoscheiben bricht. Es liegt eine gewisse Anspannung in der Luft, durch die Alain Guiraudies (Der Fremde am See) neuestes Werk schnell in seinen Bann zieht. Wer seine Filme kennt, weiß, worauf man sich einstellen muss: Queeres respektive homosexuelles Begehren nimmt in seinem Schaffen eine explizite Rolle ein. Abseits von Klischees, abseits von der Norm sind seine Bilder dafür herrlich unverbraucht und neu. Wer seine Filme kennt, weiß aber auch, worauf man sich gar nicht einstellen kann: Auf eine Tonalität, die sich allen Kategorien entzieht. Dort, wo sich Anleihen des Surrealen und der absurden Komödie treffen, fühlt er sich wohl. Vorgetragen mit einer großen Ernsthaftigkeit, die sich trotzdem nie komplett ernst nehmen lässt.

So auch in Misericordia. Der Fahrer aus der Eröffnungssequenz offenbart sich als Jérémie, der von Félix Kysyl (The Lockdown Tower) kongenial mit nur einem einzigen Gesichtsausdruck gespielt wird. Je nach Stimmungslage des Films finden sich darin sowohl Trauer und Erstaunen, als auch Sehnsucht und Bedrohlichkeit. Zu Beginn sieht man darin vor allem Mitgefühl, denn Jérémie kehrt nach Jahren in sein Heimatdorf zurück, um der Beerdigung seines ehemaligen Lehrmeisters, des Dorfbäckers Jean-Pierre beizuwohnen. Auch wenn deren Beziehung niemals explizit thematisiert wird, so scheint zumindest für Jérémie eine sexuelle Anziehung zu dem älteren Mann bestanden zu haben. Mehrmals blättert er nachts in alten Fotoalben und verharrt bei halbnackten Strandbildern des Verstorbenen. Ohnehin scheint Jérémies Begehren sich schnell wie eine unsichtbare Macht über das Dorf auszubreiten und jeden ausgetragenen Konflikt auch sexuell aufzuladen.

Als Jérémie dann nach der Beerdigung beschließt für ungewisse Zeit im Dorf zu bleiben und sich bei der Witwe Martine (Catherine Frot) einquartiert, kommt es zusehends zu Spannungen zwischen ihm und der Dorfgemeinschaft. Vor allem für ihren Sohn Vincent (Jean-Baptiste Durand) stellt dessen Anwesenheit ein Problem dar. Die Vergangenheit, über die wir nur Vermutungen anstellen können, sorgt für eine unergründliche Atmosphäre, die fortan alle Momente des Films in einem zwiespältigen Licht erscheinen lässt. Niemals ist vollends geklärt, ob eine Annäherung, eine Berührung zu etwas Zärtlichem und Liebevollem oder zu einem Akt der Gewalt führt: Eros und Thanatos. Müsste man Misericordia mit einem Wort beschreiben, dann wäre es vermutlich Uneindeutigkeit. Was als erotisches Familiendrama, vielleicht auch als Charakterstudie von Jérémie beginnt, befindet sich mit zunehmender Laufzeit immer stärker im Wandel. Aus dem Drama wird ein Thriller. Aus dem Thriller wird eine Groteske.

Die Übergänge dorthin sind fließend. So behutsam, dass man sie gar nicht bemerkt und beinahe blindlings in einen neuen Film stolpert. Mehr als einmal fühlt sich Misericordia so an, als wäre man eingeschlafen, als hätte man etwas ganz Entscheidendes verpasst und würde den restlichen Film nur träumen. Spätestens als sich der lüsterne Dorfpfarrer (Jacques Develay) und der Alkoholiker Walter (David Ayala) zum Figurenensemble dazugesellen, verlässt Guiraudie alle bekannten Pfade. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Eine zentrale Rolle nimmt nämlich auch der Wald abseits geebneter Wege ein. Wen oder was man beim Sammeln von Pilzen trifft, führt mehr als nur einmal zu Überraschungen und absurden Dialogen. Viele seiner Themen umkreist der Film lediglich. Es geht um Alkoholismus und das ländliche Leben. Um die Ausweglosigkeit der dörflichen Bevölkerung und deren Wünsche. Guiraudies Antwort auf diese Probleme ist nur bedingt ernstgemeint. Sie lautet Homoerotik.

Fazit

8.0

Alain Guiraudies neuestes Werk ist ein Kino der Uneindeutigkeit. Traumwandlerisch wechselt „Misericordia“ zwischen den Genres, scheint sich seiner Tonalität nie vollends sicher. Immer geht es dabei jedoch um Verlangen, eine homoerotische Sehnsucht durchzieht den Film. Ihn in seiner Verspieltheit und seinen konstanten Wechsel zu begleiten, ist ein großes Vergnügen.

Kritik: Dominic Hochholzer

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Kommentare

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