Inhalt
Die Jugendliche Megan Gordon (Rainbow Harvest) zieht auf Anraten eines Psychiaters mit ihrer kürzlich verwitweten Mutter von Los Angeles in eine namenlose Kleinstadt. Dort angekommen wird sie auf Grund ihrer schüchternen Art und ihres extravaganten Kleidungsstils von allen Klassenkameraden gemobbt. Zusätzlich leidet sie unter den depressiven Phasen ihrer Mutter. Nur zu ihrer Mitschülerin Nikki Chandler (Kristin Dattilo) kann sie ein zartes, freundschaftliches Verhältnis aufbauen. Das alles ändert sich jedoch schlagartig, als sie die dämonische Macht entdeckt, die in dem antiken Spiegel in ihrem Zimmer schlummert. Anfänglich harmlose Beeinflussungen und Manipulationen nehmen von Mal zu Mal an Intensität zu und entwickeln beinahe unmerklich ein grausames Eigenleben.
Kritik
Don’t you ever bully the silent Goth-Girl!
Mit „Carrie“ hat Regisseur Brian De Palma Mitte der 70er Jahre eine Blaupause für mystisch angehauchten High-School-Horror mit Coming-Of-Age Touch geschaffen, der bis zum heutigen Tag nichts an seiner Einflusskraft verloren hat. Der unterdrückte Teenager, der seine Peiniger einen nach dem anderen zur Strecke bringt und auch vor seiner Familie und seinen Freunden nicht Halt macht, ist ein weitverbreitetes Genre-Sujet. Besonders in den horroraffinen 80er und 90er Jahren wurde nur allzu gerne auf diese Grundformel zurückgegriffen. Eine der besseren Variationen dieser Horror-Rezeptur ist Marina Sargentis „Mirror Mirror“, der seine offensichtlichen Anleihen an De Palmas Klassiker keineswegs verbirgt, sondern beinahe zelebriert. Maritim Pictures veröffentlichte am 27.03.2015 die erste deutschsprachige Uncut-Fassung des 1990er Streifens, der bis dato nur in einer gekürzten Videofassung zu haben war.
So viel vorweg: „Mirror Mirror“ ist nüchtern betrachtet kein übermäßig guter Film. Dafür ist der Hybride aus käsigem 80er Jahre Genretrash und poppigem 90er Jahre Teeniehorror einfach zu vorhersehbar und zu wenig eigenständig geraten. Auch spannungstechnisch zählt Marina Sargentis Streifen nur zum soliden Mittelmaß. Das liegt einerseits an den eher durchschnittlichen Darstellerleistungen, die nur in den seltensten Momenten zum Mitfiebern einladen und andererseits an dem leicht durchschaubaren Skript. Abgesehen davon ist „Mirror Mirror“ jedoch ein Musterbeispiel für anspruchslose aber trotzdem packende Heimkinounterhaltung, wie sie in dieser (Grund-)Qualität nur in den 80er und 90er Jahren produziert wurde.
Handgemachte (Gore-)Effekte, ikonische Einzelszenen und ein hypnotischer Score reißen den Streifen problemlos aus der streckenweise aufkeimenden Lethargie. Wenn Rainbow Harvest den blutenden Spiegel in ihrem Zimmer – und somit auch ihr eigenes Spiegelbild – verstörend erotisch liebkost, wirkt diese eine Sequenz in ihrer Drastik stärker nach, als der einhundertste digitale Effekt eines aktuellen Blockbusters. Hinzu kommt die horrortypische musikalische Untermalung, die trotz (oder gerade wegen) ihrer beinahe aufdringlichen Vorhersehbarkeit eine ebenso gruselige wie nostalgische Grundstimmung erzeugen kann. Auch die spärlich gesäten Brutalitätsspitzen – wie beispielsweise das Endergebnis einer kochend heißen Dusche oder eine zerhäckselte Hand – sind überraschend gut gelungen. Die Tatsache, dass sich der nihilistische Schlusstwist stimmig in den Rest des Werkes einfügt, hebt den 100-Minüter außerdem von vielen ähnlich gestrickten aktuellen B-Movies ab.
Fazit
Gut gelungener, streckenweise etwas zu gemächlicher 90er Jahre Horrorstreifen. Um „Mirror Mirror“ wirklich genießen zu können, muss man als Zuschauer dazu in der Lage sein, mittelmäßiges bis schlechtes Schauspiel zu akzeptieren und so manchen unlogischen respektive erzwungen wirkenden Handlungsstrang zu ertragen. Wem das jedoch gelingt, den erwartet ein überraschend unterhaltsames und durchaus blutiges Stück Genrekino, das eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass Horrorfilme nicht zwangsläufig eine regietechnische Männerdomäne sind.
Autor: Christoph Uitz