Australien in den 70er Jahren: Das Leben der jungen Grace bestimmen Sorgen und Verlust. Nachdem ihre Mutter in der Schwangerschaft stirbt, werden Grace und ihr Zwillingsbruder Gilbert von ihrem Vater, einem querschnittsgelähmten Alkoholiker und ehemaligen Jongleur, großgezogen. Doch als auch er eines Tages im Schlaf verstirbt, sind die Geschwister wieder auf sich gestellt.
Fünfzehn Jahre nach Adam Elliots (Harvie Krumpet) schwarzhumorigen Sundance Eröffnungsfilm Mary & Max präsentiert der australische Animationskünstler endlich sein zweites Werk. Das teilt mit dem exzentrischen Erstling nicht nur die makabere Mischung depressiver Düsterkeit und karnevalesker Komik, sondern den narrativen Fokus auf eine außergewöhnliche Freundschaft. Jene ist erneut ein seelische Herausforderungen und Generationsgräben überbrückendes Band zwischen der lebenslustigen Seniorin Pinky (Stimme: Jacki Weaver, Clipped) und der traumatisierten Titelfigur (Sarah Snook, Run Rabbit Run). Die erzählt nicht nur ihren leidvollen Lebenslauf einer Schnecke.
Schnecken dienen Gracie, deren Mutter die Weichtiere passenderweise erforschte, als Passion und Identifikation. Schon in ihrer Kindheit zieht sie sich in ein imaginäres Gehäuse zurück, wenn ihre Existenz unerträglich scheint. Das tut sie oft. Ihre Mutter verstirbt bei der Geburt und wird für ihre Hasenscharte. Die von Kack-Braun, Schleim-Gelb, Staubgrau und Schwarz dominierte Farbpalette maximiert die Depressivität der skurrilen Szenerie, in der die verschlossene Heldin und ihr geliebter Zwillingsbruder Gilbert (Kodi Smit-McPhee, Elvis) dennoch Glücksmomente finden.
Gleiches gilt für schwarzhumorige Sprüche und groteske Gags. Beide verstecken sich buchstäblich in jeder Ecke des morbiden Menuetts, wo selbst Clown-Dekorationen traurig dreinschauen, Richter wegen exzessiver Masturbation im Amts entlassen werden, die Stiefeltern Swinger sind oder schlimmer: religiöse Fanatiker und es so ziemlich alles in Schneckenform gibt. Kondome, Kopfbedeckungen und Charaktere wie Gracie, die sich immer weiter verkriecht: in Isolation, ihr Zimmer, ihre Fettschicht. Dort rauszufinden ist nicht einfach. Aber möglich - und enorm bereichernd anzusehenden.
Fazit
Sardonisch, skurril und sensibel für die verstecken Verletzungen sozialer Außenseiter, ist Adam Elliots tragikomischer Triumph einer der seltenen Kinderfilme, der weiß, wie einsam, traurig und beängstigend das Heranwachsen sein kann. Statt Hässlichkeit zu verstecken, sucht seine sardonische Selbstbehauptungsstory das Schöne darin. Genauso fasziniert das kinematische Kuriositätenkabinett mit seiner abgründigen Ästhetik, die vor schwierigen Themen wie Substanzabhängigkeit, Zwangsstörungen und psychischen Leiden nicht zurückschreckt. Die famose Voice-Cast macht die neurotischen Charaktere so lebensecht wie die biografische Bizarrerie.
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