Inhalt
Ein Mann auf einem Motorrad erreicht eine abgelegene Hütte. Als ob es die alltäglichste Sache der Welt wäre, verkündet er der dort lebenden Marlina (Marsha Timothy aus THE RAID 2), dass seine sechs Banditenkumpel ebenfalls bald eintreffen werden. Die Gang wird all ihr Geld und all ihr Vieh stehlen, wenn Zeit bleibt, mit der Witwe schlafen und sie so „zur glücklichsten Frau der Welt“ machen. Aber bevor es so weit ist, soll Marlina erst noch eine Hühnersuppe für ihre „Gäste“ kochen.
Kritik
Indonesien hat gerade in den letzten Jahren nachdrücklich auf den eigenen Filmmarkt aufmerksam gemacht. Filme wie The Raid oder Headshot zeigten die Indonesier von ihrer rohen und brachialen Seite und zeigten westlichen Actionvertretern wo der Hammer hängt. Doch das indonesische Kino sollte man nicht nur mit starken Actionfeuerwerken assoziieren. Dass es auch anders geht beweist der indonesische Neo-Western Marlina the Murderer in four Acts, der trotz seiner Genreunetrschrift als "rape & revenge Film" weder mit großen Actionszenen noch ausschweifender Gewalt auf die Leinwand kommt, sondern mit einer angenehmen Ruhe und ganz großer Atmosphäre überzeugt.
Marlina the Murderer in four Acts erzählt in vier Akten die Reise der Witwe Marlina von ihrem Haus ins nahegelegende Dorf und zurück. Der Film ist somit, trotz des episch anmutenden Titels und der Vierakt-Narration, kein weitreichendes Epos, sondern eine kleine, in sich kondensierte, sehr persönliche Geschichte einer Frau, die sich gegen eine von Männern regierte Welt auflehnt. Schön ist hierbei, wie natürlich Regisseurin Mouly Surya von dieser Rebellion erzählt und hier weniger das Abschlachten der Männerwelt in den Vordergrund stellt, sondern das Heranwachsen der Protagonistin als starke und unabhängige Person. Daher mag Marlina im Endeffekt auch weit nüchterner entlassen als man es zunächst vermutet hat, konzentriert sich der Film in den knappen 90 Minuten nämlich nur darauf eine kleine Geschichtein einer großen Welt zu erzählen.
Und das ist ebenfalls eine große Stärke des Films. Durch visuelles Storytelling erschafft Surya eine stets nachvollziehbare, realistische Welt, die organisch neben der Story des Films existiert und den Film atmopshärisch sehr verdichtet. Marlinas Geschichte wirkt wie eine von vielen in einer großen, animalischen Welt und sie wird gerade aufgrund dieser Perspektive fühlbarer und echter. Hinzu kommt starkes, nachdenkliches Schauspiel von Marsha Timothy (The Raid 2), die ihrer Figur der Merlina etwas Unnahbares, Starkes und dennoch sehr Menschliches verleiht. Auch die anderen Figuren des Casts machen ihre Sachen sehr gut, sodass sich selbst manch überdramatisierte Szene stimmig ins Gesamtbild des Films einfügt.
Ebenfalls als beeindruckend stellt sich die Inszenierung der Regisseurin heraus, die Mouly Surya offenkundig als großen Westernfan entlarvt: die grandiosen Wideshots des indonesischen Landes, die aufgeladene, heiße Atmosphäre und die nostalgische Gitarrenmusik stammen direkt aus einem alten Spaghetti-Western der Marke Sergio Leone und geben dem Film atmosphärisch noch einmal eine ganz besondere Würze. Ab und an wirken die Westernmotive zwar in den Film hineinforciert (Marlina wäre auch ohne den wiederholten Einsatz von Westernmusik ausgekommen), wirklich störend wirken sie aber nie. Marlina the Murderer in four Acts ist somit ein erstaunlich rundes, gut gespieles und atmosphärisch sehr dichtes Erlebnis und beweist, dass man den indonesischen Filmmarkt nicht nur aufgrund seiner Actionkracher im Auge behalten sollte.
Fazit
Regisseurin Mouly Surya bringt mit ihrem persönlich erzählten indonesischen Neo-Western einen erstaunlich selbstbewussen Film auf die Leinwand, der sowohl darstellerisch wie auch atmosphärisch stets überzeugt und gefangen nimmt. Emotional bleibt einem die Geschichte der Witwe Marlina zwar ein wenig fern, "Marlina the Murderer in four Acts" beweist aber, dass im indonesischen Filmmarkt noch weit mehr steckt als nur grandioses Actionkino.
Autor: Thomas Söcker