Kein volles Jahr nachdem Quentin Dupieux (Rubber) mit Monsieur Killerstyle einen seiner wohl besten Filme veröffentlicht hat, kehrt er - scheinbar still und heimlich - mit einem weniger ambitioniertem Projekt zurück. Während er mit Letzterem seinen ersten Genre-Film veröffentlichte, der die Paradigmen seines Stils neu ausbuchstabierte, kehrt er mit Mandibles in gewohntes Terrain zurück. So fühlt sich der Film nicht nur aufgrund seines Release-Timings eigenartig verloren an, sondern scheint auch davon unabhängig ein "kleiner" Film zu sein, den man im Schaffen Dupieux´ leicht übersehen kann. Zu Unrecht, denn auch wenn Mandibles eher etwas von einer Fingerübung hat, als dass er seinem Schaffen etwas Neues hinzufügt, ist dennoch ein stimmiger Film geglückt, der sich wunderbar in die Filmographie des Kultregisseurs einfügt.
Dupieux ist besonders gut, wenn er es versteht, Realität und Absurdität in Balance zu halten, wenn er also nicht dem Drang erliegt, die von ihm dargestellte Welt in absoluter Beliebigkeit zu ertränken. Auf diese Art entsteht die skurrilste Komik, eine Überführung des sinnsuchenden Zuschauers und hin und wieder ein bissiger Metakommentar. Dieses Mal soll es ihm um eine Riesenfliege gehen, die zwei Hobby-Gauner, welche ohne Weiteres aus einer reinen Kifferkomödie entsprungen sein könnten, im Kofferraum eines gestohlenen Wagens auffinden. Eigentlich wurden sie nur für eine Übergabe engagiert, doch in der Riesenfliege "Dominique" sehen sie größeres Profitpotential. Schließlich könnte man sie zu einer lebendigen Drohne abrichten, mit der man dann einen Bankraub begehen kann. Die beiden Freunde Jean-Gab (David Marsais, Paris Manhattan) und Manu (Grégoire Ludig, Die Wache) könnten sich dabei tollpatschiger kaum anstellen und so begleitet der Zuschauer sie von einer absurden Szene zur nächsten.
Diesmal reicht es zwar nicht zum Metakommentar oder zur wirklichen Provokation des Zuschauers, dafür aber zur skurrilen, kurzweiligen Komödie. Dass Mandibles auf mehr nicht aus ist, wird am heiteren Ton des Filmes deutlich: Marsais und Ludig spielen zwei gut gelaunte Naivlinge, die von Anfang an die Perspektive einer Buddy-Komödie eröffnen, die vor sommerlicher Kulisse und in der für den Regisseur üblichen Retro-Ästhetik stattfindet. Haben viele seiner Filme trotz aller Komik einen zynischen Einschlag, ist sein neuestes Werk von durch und durch unbedarftem Gemüt. Dieses fast schon monotone Stimmungsbild nutzt sich aufgrund der dankbaren Lauflänge von nur 70 Minuten nicht ab, sondern eröffnet die Möglichkeit, die Absurditäten spürbar unterbetont aneinander zu reihen. So nimmt der Zuschauer die heitere Leichtigkeit bereits als Verschiebung im Vergleich zum Ton einer realistischen Erzählung wahr, in der sich die Skurrilitäten folgerichtig einordnen.
Dupieux markiert diese nicht als Pointen, sondern akzeptiert sie zumeist als normalen Teil der Welt, die er kreiert, die wie immer auf gnadenloser Grundlosigkeit fußt. Die Rechnung geht auf, da die ausgewählten Gags, die er als solche hervorhebt, dadurch eine besondere Wirkkraft entfalten können. Vor allem jedoch, weil er sich trotzdem auf konventionelle Comedy-Narrativen stützt: sich zur Katastrophe steigernde Missgeschicke, Überzeichnungen, Verwechslungsspiele etc. All diesen Elementen wird durch ihre abstruse Ausführung ein eigener Reiz abgewonnen. Deutlich wird das an einem Verwechslungsspiel, das sich in der zweiten Hälfte des Filmes zuträgt: nachdem der Tank der beiden Freunde leer gegangen ist, treffen sie auf Cécile (India Hair, Marvin), die Manu mit ihrer Jugendliebe verwechselt.
Infolgedessen hilft sie ihm und Jean-Gab (samt Dominique) nicht nur von der Straße, sondern bietet ihnen kurzerhand eine Unterkunft in ihrer Villa an. Im Gegensatz zu Manu ahnt Céline genauso wenig von der Verwechslung wie von den Trainingseinheiten, die Jean-Gab der gemeinsamen Riesenfliege heimlich im Zimmer erteilt. Lediglich ihre Freundin Agnès (Adèle Exarchopoulos, Sibyl), die aufgrund eines Unfalls nur noch schreiend kommunizieren kann, kommt den beiden Kleinkriminellen auf die Schliche. Die Grundsituation, die Abläufe und der Ausgang des Villa-Aufenthalts sind absurd, doch wirken vor dem Hintergrund des gesamten Filmes wie die Mechanismen einer konventionellen Komödie. Daran lässt sich der wunderbare Effekt festmachen, den Mandibles über weite Strecken auf den Zuschauer hat. Tranceartig lässt er sich auf das ein, was ihm auf der Leinwand präsentiert wird, um sich immer wieder aus der Sogkraft zu befreien und schmunzelnd festzustellen, was für einen Quatsch er sich da gerade anschaut.