„Es hat keinen Wert, als Märtyrer zu sterben, wenn man nichts zu verlieren hat.“
Manchmal ist die Realität in ihrer Unbarmherzigkeit einfach schneller. Made in France – Im Namen des Terrors von Nicolas Boukhrief (Off Limits – Wir sind das Gesetz) musste das in voller Härte zu spüren bekommen, wurde der Film doch nicht einfach nur von der Realität eingeholt, sondern von der Realität geradezu überrumpelt: Durch die Pariser Anschlagserie vom 13. November 2015, die in einer Geiselnahme im Bataclan-Theater kulminierte, bei der eine Gruppe islamistisch-motivierter Terroristen im Namen des Islamischen Staates mehr als 130 Menschen getötet hat, wurde es für Boukhriefs nunmehr dritte Regiearbeit beinahe zu einem Ding der Unmöglichkeit, Finanzierungshilfen für die finale Umsetzung der Produktion zu erlangen. Niemand wollte sich die Finger an der heiklen Lage verbrennen, niemand wollte daran glauben, dass Made in France – Im Namen des Terrors dieser Tage wirklich das Zeug hätte, ein klares Publikum für sich zu gewinnen.
Allerdings möchte man entgegen dieser – natürlich nachvollziehbaren – schonenden Rücksichtnahme auch proklamieren, dass es gerade in derlei angespannten Situation, wie sie quasi zu unserem Alltag geworden ist, auch filmische Auseinandersetzungen mit dem islamistischen Terror geben muss – und zweifelsohne werden diese im Folgenden auch genügend Interessenten anziehen. Made in France – Im Namen des Terrors könnte man, jedenfalls von seiner tonalen Prägung in Gänze, als Gegenentwurf vom großartigen Four Lions beschreiben, in dem sich der Satiriker Chris Morris' mit beißender Lakonie über den fundamentalistisch geprägten Terrorismus ausließ und aus der schwarzen Situationskomik bedrückende Wahrheiten von überzeitlicher Beschaffenheit destillierte. Nicolas Boukhrief und sein Drehbuchautor, Éric Besnard (Babylon A.D.), indes lehnen freilich jedweden Anflug von Komik ab und konzentrieren sich ganz auf die Persönlichkeitsstrukturen im gruppendynamischen Geflecht der Terrorzelle.
Epizentrum der Handlung ist der Journalist Sam (Malik Zidi), der über algerische Wurzeln verfügt und den Islam als Religion des Friedens in seinem Herzen bewahren möchte. Und genau das scheint auch die Intention zu sein, mit der sich Made in France – Im Namen des Terrors artikuliert: Im letzten Satz des Films wird von Sam ein Symbolbild verbalisiert, in der der Bucheinband des Korans eine Kugel abwehrt. Ein ebenso prägnantes Trägermedium, wie die Kalaschnikow auf dem offiziellen Poster, die aus dem Stützpfeilern des Eiffelturm entwächst. Auf Kausalitäten dieser Form aber beschränkt sich Boukhrief nicht: Frankreich ist keine nationale Brutstätte des Terrorismus, Made in France – Im Namen des Terrors denkt in diesem Punkt keineswegs tendenziös, der Film veranschaulicht vielmehr, wenngleich der Handlungsort klar lokalisiert ist, dass der Terror in jedem Land, in jeder Stadt, in jedem Kopf angedeihen kann.
Woraus sich der Terrorismus grundsätzlich erbaut, vermag Made in France – Im Namen des Terrors nicht zu beantworten – Zum Glück, denn auf schwierige Fragen gibt es nun mal keine leichten, allgemeingültigen Antworten. Stattdessen finden wir im Personenkreis der dschihadistischen Gruppierung eine Konglomerat an Möglichkeiten: Perspektivlosigkeit, Enttäuschungen, die das Berufs- oder Privatleben betreffen, Neugierde und natürlich das Gefühl von Verbundenheit, die moralische Verirrungen innerhalb von sozialem Druck umso stärker befeuert. Dass sich die Typologie der 'Gotteskrieger' hinlänglich aus Stereotypen speist (da wären, zum Beispiel, der fanatische Anführer, der in sich gekehrte Zweifler und, natürlich, der infiltrierende Idealist), ist kaum von der Hand zu weisen, doch hilft es ungemein, die involvierten Figuren nicht als Charaktere per se zu deuten, sondern als Symbole, die in den figuralen Ballungsraum kanalisiert werden und diesen von mehreren Blickwinkeln beleuchten und anheizen.