Es ist das ständig begleitende Motiv seines Schaffens: Der Verlust. Die Filme von Brad Silberling setzten sich immer wieder und in immer wieder verschiedener Ausrichtung mit dem Tod, dem Abschied, der Trauer auseinander: Ob in Casper, in dem sich Christina Ricci mit dem Tod ihrer Mutter zu kämpfen hat oder Stadt der Engel, dem rührseligen Remake von Wim Wenders' meisterhaften Poem Der Himmel über Berlin, in dem Nicolas Cage in die Rolle eines modernen Charon schlüpft, der die Seelen, deren Zeit gekommen ist, wie der mythologische Fährmann in die Anderswelt überführt. Und dann natürlich noch das sensible Charakter-Drama Moonlight Mile, in dem Jake Gyllenhaals Welt aus den Fugen gerät, nachdem seine Verlobte Diana dahingeschieden ist. Ungewöhnlich erscheint es daher auch rein gar nicht, dass der in Washington geborene Brad Silberling für die Umsetzung der in Amerika äußerst beliebten Kinderbuchchronik Eine Reihe äußerst betrüblicher Ereignisse beauftragt wurde.
Basierend auf den ersten drei Bändern dieser Reihe, ist auch Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse wie eine echte Märchenstunde konzipiert: Nachdem wir der glücklichsten Elfe der Welt beim Herumtollen zugesehen haben, stoppt der Film und schwenkt um in eine düstere, von Nebelschwaden verhangene Kulisse, um den eigentlichen Film anzustimmen. Aus dem Off begrüßt uns Lemony Snicket (gesprochen von Jude Law), der uns gleich mehrmals darauf einstimmt, dass wir es hier keineswegs mit niedlichen Fabelwesen zu tun zu bekommen. Auf der Meta-Ebene funktioniert Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse also auch als Reflexion über das Erzählen per se und lässt Lemony Snicket aus seinem Büro, wo er in die Tasten seiner Schreibmaschine hämmert, immer wieder zu Wort kommen, ja, sogar den eigentlichen Erzählfluss torpedieren. Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse ist sicher auch ein Film für Kinder, er pflegt daher auch seinen märchenhaften Charme, setzt niedliche Waisen mit knuffigen Kulleräuglein ins Zentrum der Geschichte und plädiert sichtlich für Übertreibungen, Überhöhungen, Überspitzungen. Aber er kann auch anders.
Zuerst muss man sagen, dass Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse wirklich ganz und gar hervorragend aussieht und in seinen Sets und Kostümen oftmals einen wunderbaren Hang zum in den 1980er Jahren aufkeimenden Steampunk besitzt, was den Film angenehm aus jedem zeitlichen Kontext reißt und eine ganz eigene Ästhetik verleiht. Dabei setzt Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse gewiss nicht auf warme, auf einladende Töne, sondern schafft es zuweilen mit Bravour, eine mit wirklich schauerlicher Aura akzentuierte Imagination dieser Welt anzufertigen, wie man sie so nur aus den Filmen eines Tom Burton (Sleepy Hollow) kennt. Werden die drei Baudelaire-Waisen Violet, Klaus und Sunny dann zu ihrem neuen Vormund, Graf Olaf, verfrachtet, kommt auch Jim Carrey ins Spiel und verleiht Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse durch sein unfassbar exaltiertes Spiel einen subversiven Humor, der die jüngeren Zuschauer mit Sicherheit etwas irritieren könnte. Carrey gibt sich erneut entfesselt, füllt seine verschiedenen Rollen mit maximaler Spielfreude aus und macht seinen Performance des selbstverliebt-habgierigen Graf Olaf zu einem echten Erlebnis.
Ist Jim Carrey mal nicht im Bild, machen sich die erzählerischen Schwächen von Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse bemerkbar. Der Werdegang der Baudelaire-Kinder wird episodisch aufgesplittet und sie wandern von Vormund zu Vormund (darunter auch Billy Connolly als Herpetologe und Meryl Streep als pathologischer Angsthase), was die narrative Rhythmik hemmt und die dramaturgische Effizient etwas ausbremst, wird den einzelnen Episoden doch nicht der Raum und die Aufmerksamkeit geschenkt, die sie benötigt hätten, um sich wirklich entfalten zu dürfen; um Übergänge harmonisch zu ebnen. Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse aber ist wirklich charmantes, angemessen düsteres Erzählkino, exzellent bebildert, mit einem Jim Carrey, den man selten stärker gesehen hat und einer optimistischen Message, die man sich zu Herzen nehmen sollte: Egal wie hoffnungslos die Lage scheint, es wird immer wieder Aussicht auf Besserung geben - Solange man zusammenhält.