Bibelfilme. Ein Label, bei dem man sicherlich an unverwüstliche Klassiker wie Die zehn Gebote aus dem Jahre 1956 denkt, aber in der Vergangenheit ebenfalls zu genüge schlechte Erfahrung damit gemacht hat, dass das Kino die Statuten des Christentums auch gerne mal nutzt, um fundamentalistische Propaganda zu streuen. Und da reden wir nicht einmal explizit vom 'Bibelfilm', sondern auch von Filmen wie Hacksaw Ridge, Left Behind und Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott, die biblische Lehren aufgreifen, um sie nachträglich zu radikalisieren und dem Zuschauer diese aufzuoktroyieren. Also ein Kino ohne Grauzonen. Ein Kino der Verklärung. Ein Kino der Meinungsmache. Interessanter sind da dann doch die Werke, die sich dem religiösen Holzhammer entziehen und ihre Glaubensreflexionen auch für Menschen zugänglich machen, deren Weltanschauung ohne religiöse Ausrichtung auskommt.
40 Tage in der Wüste ist nun ein Positivbeispiel für den bisweilen schlecht beleumundeten Bibelfilm, was in erster Linie daran liegt, dass sich Regisseur Rodrigo García (Mütter und Töchter) hier für ein Werk auszeichnet, welches sich auf der Gleichnis-Ebene verstehen lässt und sich über die biblische Episode um die Versuchung Jesu, die in drei Evangelien überschaubare Erwähnung gefunden hat, erzählerisch hinwegsetzt, anstatt ihr untertänig und verkrampft fromm nachzueifern. Ewan McGregor (T2: Trainspotting) schlüpft hier in die Rolle des Messias, interpretiert seinen Jesus Christus aber nicht als schillernden Heiligen, sondern als (gewiss, nicht originell) sich ständig auf der Suche befindenden (Gottes-)Sohn, der in der urwüchsigen Ewigkeit der Wüste nach Antworten fleht. Antworten darauf, warum er hier ist und wohin sein Weg noch gehen wird. Und 40 Tage in der Wüste lässt ihn ausharren.
Die Wüste als transzendente Erfahrung also; als Oase der Selbsterkenntnis. Rodrigo García lässt Jesus in genau diesem archaischen Setting oftmals ganz unbedeutend untergehen: Nur ein Mann, der sich im majestätischen Landschaftspanorama verloren hat. Der nicht weiß, warum er hier ist; nicht weiß, wie es weitergehen kann. Die unzweifelhafte Qualität des Films fußt dabei auf dem Könner zweier Männer: Kameramann Emmanuel Lubezki und Ewan McGregor, der in seiner nuanciert verkörperten Doppelrolle gegen seinen inneren Dämon, sprich, der Teufel als sein Ebenbild, antritt. Die Diskussion dahingehend, dass Lubezki längst schon eine Art Regie-Posten bezogen hat und das Geschehen deutlich stärker „dirigiert“, als der eigentlich ausgewiesene Filmschaffende, wurde des öfteren angestimmt. In 40 Tage in der Wüste ist auch dieser Umstand wieder interessant zu beobachten, weil Lubezkis erlesene Bilder eine Sehnsucht nach Einkehr und Stille offenbaren, die seinen entfesselten Sternstunden diametral gegenübersteht.
Lubezki bettet sich in 40 Tage in der Wüste auf der Erkenntnis, dass die Kraft in der Ruhe begraben liegt und gibt so den Takt für einen Film vor, der inmitten der Entschleunigung des Tempos über die überzeitlichen Rollen von Vätern und Söhnen sinniert. Irgendwann nämlich trifft Jesus auf eine Eremiten-Familie, innerhalb dessen Zirkel sich der gleiche Vater-Sohn-Konflikt wiederspiegelt, wie ihn auch Jesus mit Gott austrägt. In den Zwiegesprächen, die Jesus gerade in der Nacht mit sich führt, formuliert 40 Tage in der Wüste die teuflischen Verlockungen und unterstreicht noch einmal Ewan McGregors differenzierte Performance. Vergegenwärtigen allerdings muss Jesus in 40 Tage in der Wüste nicht, den Versuchungen immerzu Widerstand zu leisten, sondern die Wüste als ein Instrument der Erleuchtung zu nutzen: Hier nämlich, im ewigen, alles umrahmenden Sand, lernt man, sich von allen Illusionen abzunabeln und seiner Bestimmung zu folgen.