Inhalt
Während des Zweiten Weltkrieges findet eine alte Holzfällerin mitten in Frankreichs verschneiten Wäldern an einer Bahnstrecke ein Bündel mit einem Baby. Der Vater hat das Kind in Verzweiflung aus dem Zug geworfen, der die deportierten Menschen in ein KZ verschleppt. Die Holzfällerin sieht das Kind als Geschenk Gottes, ihr Mann hingegen will damit nichts zu tun haben und verbannt beide in die Scheune. Doch langsam erweicht das kleine Mädchen sein Herz. Der Krieg jedoch ist noch nicht vorrüber ...
Kritik
Die titelgebende Fracht Michel Hazanavicius (Final Cut of the Dead) allegorischen Animationsfilms, der als erster seit Persepolis 2007 um die Goldenen Palme konkurriert, ist natürlich nicht allein das Baby, das eine alternde Holzfällerin neben den Schienen eines der Todeszüge nach Auschwitz findet. Es sind die Menschen in den Zügen, die wie kreischende Ungetüme durch den winterlichen Wald rattern: in der buchstäblich malerischen Landschaft eine infernalische Erinnerung, dass die filmische Fabel nicht im 19. Jahrhundert spielt, sondern während des Zweiten Weltkrieges.
Der scheint ansonsten praktisch und psychologisch unendlich entfernt von der kargen Holzhütte der Holzfällerin (Stimme: Dominique Blanc, The Origin of Evil) und ihres Gatten (Grégory Gadeois, Die Gewerkschafterin), der das keine Mädchen anfangs in die Scheune verbannt. Doch vorhersehbar schmilzt mit dem Schnee auch sein Herz, entsprechend des malträtiert wiederholten Mottos „The heartles have a heart“. Gemeint ist auch sein antisemitisch verblendetes Herz oder das verbitterte Herz eines hilfsbereiten Weltkriegs-Veteranen - des ersten, aber laut der reduzierten Dialoge seien alle Kriege gleich.
Dergleichen pseudo-philosophische Phrasen sind ebenso plump wie problematisch in ihrer Simplifizierung. Jene ist die größte Schwäche der humanistischen Fabel, die Faschismus auf bildungsferne Leichtgläubigkeit zurückführt und den Mythos apolitischer Apathie gegenüber dem organisierten Massenmord aufrechterhält. Dialogische Distanzierung von Gott ist bloßes Lippenbekenntnis in einem Szenario voller religiöser Symbolik, allen voran ein in einen Gebetsschal gewickeltes Baby zur Weihnachtszeit. Letzte scheint der ideale Vorführungsrahmen für die pittoreske Parabel, deren süßliche Sentimentalität die finstere Thematik bedenklich bagatellisiert.
Fazit
Der Titel bezieht sich nicht zuletzt auf Hoffnung; sich reichlich vorhanden in, aber weit weniger für Michel Hazanavicius altmodisch anmutendes Zeichentrickfilm. Dessen Märchenhaftigkeit tendiert zu emotionaler Manipulativität, die psychologische Komplexität scheut und politische Ideologien ausblendet. Vage von Theodor Kittelsen inspiriert Bilder erreichen nie dessen atmosphärische Ambivalenz und erinnern in ihrer Detailarmut und Grobschlächtigkeit an eine Kinderfernsehserie. Einer solchen entspricht auch die plakative Belehrung der abgenutzte Narrative aneinanderreihenden Story, in der Kitsch und Kalkül Poesie ersetzen.
Autor: Lida Bach