Mit ihrem oscarnominierten Erstlingswerk Mustang gelang der türkisch-französischen Regisseurin Deniz Gamze Ergüven ein wunderbares und äußerst gefühlvolles Drama um fünf junge Mädchen, die die Einschränkungen einer repressiven, patriarchal geprägten Gesellschaft zu spüren bekamen. Die Idee zu Kings hatte Ergüven eigentlich schon vorher, scheiterte damals jedoch bei der Suche nach Investoren. Die fanden sich nach dem Erfolg von Mustang jedoch schnell, sodass sie mit Kings schließlich doch den Weg nach Hollywood beschritt. Mit wichtigem Thema und reichlich Talent an Bord sollte man eigentlich auch von ihrem zweiten Film, der auf dem Toronto International Film Festival 2017 seine Premiere feierte, großes erwarten, umso erschreckender muss man aber feststellen, wie viel hier schiefgelaufen ist.
Angesiedelt ist Kings Anfang der 90er in Los Angeles, zu einer Zeit, in der Rassenkonflikte für große Spannungen in der Bevölkerung sorgten. Neben diversen erschreckenden Vorfällen sorgte vor allem das skandalöse Video von Polizisten, die den Afroamerikaner Rodney King 1991 brutal zusammenschlugen, für einen großen Aufschrei. Als die Täter schließlich 1992 von jeglicher Schuld freigesprochen wurden, brachen in LA große Unruhen aus. Damit folgt Ergüven thematisch den Spuren von Kathryn Bigelow, die mit Detroit kurz zuvor ähnliche Ziele verfolgte. So gut Ergüvens Absichten womöglich gewesen sein mögen, verlor sie anscheinend jegliche Kontrolle über ihr Projekt. Anders lässt sich das erzählerische Chaos kaum beschreiben.
In Kings überschlagen sich die Ereignisse im Minutentakt. Schießereien, Randale, Verhaftungen, alles in schneller Abfolge und teils ohne jeglichen Zusammenhang. Um die vorherrschenden Missstände aufzuzeigen, hätte der Film ruhig minimalistischer, dafür nuancierter vorgehen können, oder zumindest in geordneten Strukturen, so aber verkommt das Gezeigte zu einer plumpen, reißerischen Abfolge, die erzählerisch nicht zusammenpassen will. Der Regisseurin fehlt das Gespür dafür aufzuzeigen, was zu dieser Zeit in den Köpfen der Menschen vor sich ging, Unzufriedenheit mit dem Holzhammer darzustellen funktioniert hierbei nicht. Schlimm ist dabei auch wie einige Erzählstränge vollkommen ins Leere verlaufen. Mit dem Beziehungsdreieck dreier Teenager baut der Film beispielsweise bewusst einen zu eskalieren drohenden Subplot auf, nur um ihn im lächerlichen Finale mit den Füßen zu treten.
Zwischen all dem Durcheinander steht eine Pflegefamilie im Fokus, bestehend aus mehreren Kindern, die sich unter der Obhut einer hysterisch und over-the-top agierenden Halle Berry (Catwoman) befinden. Background wird einem dazu keiner geliefert, wie viele der Kids ihre eigenen sind, woher sie alle kommen, warum sie das alles tut, all das werden wir in Kings nie erfahren. Statt aus der schwierigen Situation und dem Leid Dramaturgie zu erzeugen, regiert auch im Hause Berry das Chaos, tonal jedoch völlig daneben. Denn statt mit Ernsthaftigkeit vorzugehen und dem eigentlichen Thema gerecht zu werden, fühlt sich das Ganze wie eine heitere Folge Malcolm mittendrin an, während draußen die Molotows fliegen und tote Menschen auf den Straßen liegen. Mit schrulligem Nachbarn, dem einzigen Weißen im Viertel (gespielt von Daniel Craig, Logan Lucky), der von den Kids so genervt ist, dass er sie in einer Szene abknallen will, wenige Minuten später aber mit ihnen fröhlich umhertanzt, wird die Sache auch nicht besser. Getoppt wird der Unfug nur noch mit einem peinlich-erotischen Traum Berrys von ihrem Nachbarn, der ebenfalls völlig aus dem Himmel gegriffen daher kommt.
Eigentlich möchte man meinen, dass es in Kings nicht mehr viel schlimmer werden kann. Doch mit seinem absurden Finale setzt er alledem nochmal die Krone auf. Während sich die Gewalt in der Stadt immer weiter zuspitzt, was der Regisseurin mehr oder weniger egal zu sein scheint, verfrachtet der Film seine beiden Stars auf den Parkplatz eines leergeräumten Supermarktes, wo Berry und Craig von einem komödiantisch aufgelegten Polizisten an eine Laterne gekettet werden. Ohne zu viel zu verraten: Craig wird kurzzeitig zu James Bond und startet eine Befreiungsaktion, zu der Berry die Hosen herunterlassen muss. Währenddessen fahren die völlig aufgedrehten Kids ziellos mit dem Wagen über den Parkplatz und haben dabei reichlich Spaß, ein paar Blocks weiter verbluten zwischenzeitlich die anderen Hauptcharaktere der Story. Es ist unwahrscheinlich, dass Ergüven eine Komödie drehen wollte, es ist ihr aber definitiv auf unfreiwillige Weise gelungen, was beim eigentlich tragischen Thema, das auch heute noch aktuell ist, umso trauriger ist.