Die „Saw“-Schöpfer James Wan und Leigh Whannell und der „Paranormal Activity“-Erfinder Oren Peli, stellen für Hollywood aktuell wohl so etwas wie eine besonders ansprechende Kombination aus dem Stein der Weisen und König Midas dar. Drei Filmmacher, die innerhalb der ersten Dekade des neuen Jahrtausends, mit ihren jeweiligen Genrebeiträgen anschaulich bewiesen haben, dass es nicht unbedingt eines übermäßig großen Budgets oder einer Unmenge an Stars bedarf, um eine weltweit erfolgreiche Filmreihe zu begründen und Millionenumsätze zu generieren. Sondern es reicht vollends eine einfache Grundidee, eine spannende Umsetzung sowie eine aggressive Vermarktung. Diese drei Horror-Aficionados und Masterminds hinter zwei der kommerziell erfolgreichsten Horrorproduktionen der jüngeren Vergangenheit, zeichnen sich auch für „Insidious“, den neuesten Beitrag zum allseits beliebten Haunted-House-Genre, verantwortlich und sorgten dafür, dass dem Projekt bereits im Vorfeld eine enorme Erwartungshaltung entgegengebracht wurde.
Josh (Patrick Wilson, der Nite Owl aus „Watchmen“) und Renai Lambert (Rose Byrne aus „X-Men: First Class“) beziehen gemeinsam mit ihren drei Kindern ein neues Haus und erfüllen sich damit den Traum eines jeden gutbürgerlichen Amerikaners. Die Freude über das neue Heim währt jedoch nicht lange. Bereits von der ersten Nacht an versprüht das Gebäude eine gewisse Kälte und wirkt dank eines düsteren Dachbodens geradezu unheimlich auf seine Bewohner. Als ihr ältester Sohn nach einigen Wochen im neuen Eigenheim in ein unerklärliches Koma fällt, und sich, nach seiner immer noch komatösen Rückkehr aus dem Krankenhaus, eigenartige Bewegungen, Geräusche und Schatten häufen, sehen sich Josh und Renai zu einem erneuten Umzug genötigt. Doch auch die nächste Bleibe der Familie Lambert stellt sich als trügerischer Hafen der Geborgenheit heraus.
Detailliertere Informationen über Handlung und Filmverlauf sollen an dieser Stelle nicht offenbart werden, da jedes weitere Wort ein Wort zu viel darstellen würde. Zwar lebt „Insidious“ in der Nägel-vernichtend spannenden ersten Hälfte ausschließlich von der düsteren und mit sämtlichen Genrekonventionen spielenden Atmosphäre, den bläulich dunklen Bildern, der drohend schwebenden Kamera und dem bedrückenden Klangteppich, und nicht von einer besonders innovativen Story. Gegen Ende hin wechselt „Insidious“, was auf Deutsch so viel wie heimtückisch bedeutet, aber mit einem durchaus mutigen Plottwist und dank einiger falscher Fährten noch einmal klar die eingeschlagene Richtung und offenbart erst im allerletzten Moment warum es tatsächlich geht. Daher sollte man als Zuschauer, was die Story betrifft, möglichst uninformiert einen Kinobesuch wagen.
Nahezu genau an diesem Wendepunkt der Handlung beginnt der Film den Machern jedoch auch nach und nach zu entgleiten. Unfreiwillige Komik, in Form von modernen Geisterjägern, und eine Abwendung vom auf höchstem Niveau zelebrierten angedeuteten und der eigenen Phantasie überlassenen Grauen hin zum offensichtlichen, weil sichtbaren Bösen, lockern die bis dahin fast unmenschliche Spannung unnötig auf und entwerten den Film doch sehr deutlich. Zwar bleibt „Insidious“ bis zur letzten Minute spannend und mysteriös und kann vor allem durch eine außergewöhnlich stark inszenierte Seance und das ungewöhnlich konsequente Ende nachhaltig überzeugen. Trotzdem bleibt der bittere Nachgeschmack, eine einmalige Gelegenheit an die Vorreiter des gehobenen Spannungskinos anzuschließen, verpasst zu haben.
Diese Genre-Größen führen direkt zum zweiten Schwachpunkt des Gruselschockers. Abgesehen von dem Spannungsdurchhänger im zweiten Filmdrittel, fällt nämlich insbesondere die fast schon anstößige Nähe zu Klassikern wie „Poltergeist“, „Exorzist“ und „Shining“ negativ auf. Diese Klassiker-Hörigkeit erstreckt sich nicht nur auf Stimmung und Handlungsmuster, sondern auch auf die Besetzung der Nebenrollen mit vorbelasteten Darstellerinnen. Joshs Mutter wird von Barbara Hershey porträtiert, die sich schon im Klassiker „Entity“ vom unsichtbaren Bösen belästigen lies und das zu Rate gezogene Medium wird von „Nightmare on Elmstreet“ Veteranin Lin Shaye gespielt. Das selbstreferenziell zu nennen, ist schon fast eine Form der Untertreibung.
Genau wie im Falle von „Saw“, als aus knapp einer Million Dollar Budget ein Einspielergebnis von mehr als 100 Millionen erwuchs, und „Paranormal Activity“, das mit dem lachhaft kleinen Budget von kolportierten 15.000 Dollar knapp 200 Millionen erwirtschaften konnte, gelang auch mit „Insidious“ ein großer Wurf (1,5 Millionen stehen bisher 92 Millionen gegenüber). Das wiederum legt die Vermutung nahe, dass uns, in nicht allzu ferner Zukunft, zumindest ein weiteres Sequel erwartet. Möglicherweise trauen es sich Wan, Whannell und Peli dann zu, einen durchgehend unangenehm spannenden Film auf das (amerikanische) Publikum loszulassen, ohne zu sehr auf unerreichbare Vorbilder zu schielen und zwanghafte Spannungs-Umbrüche einzubauen.