6.1

MB-Kritik

Infinity Pool 2022

Mystery, Horror, Crime

6.1

Cleopatra Coleman
Alexander Skarsgård
Dunja Sepčić Bogner
Adam Boncz
Jalil Lespert
Mia Goth
Zijad Gracic
Amar Bukvić
Alan Katić
Thomas Kretschmann
Katalin Lábán
Kamilla Fátyol
Lena Juka Stambuk
Kristóf Kovács
Romina Tonkovic
Amanda Brugel

Inhalt

Unberührte Strände, Sonne pur und Personal, das einem jeden Wunsch von den Augen abliest – James (Alexander Skarsgård) und Em (Cleopatra Coleman) genießen den perfekten Urlaub. Aber als sie mit der verführerischen und gleichzeitig mysteriösen Gabi (Mia Goth) das Gelände des einsam gelegenen Inselresorts verlassen, kommt es zu einem tragischen Unfall – und plötzlich gibt es für das Paar keinen Weg zurück …  Sie finden sich in einer Parallelwelt voller Gewalt, grenzenlosem Hedonismus und unaussprechlichem Horror wieder und werden vor eine unvorstellbare Wahl gestellt, denn die Null-Toleranz-Politik für Verbrechen besagt: hingerichtet werden, oder, wenn man es sich leisten kann, dabei zusehen, wie man stirbt!

Kritik

Das ebenso banale wie beklemmende Fazit Brandon Cronenbergs (Possessor) phantasmagorischen Psycho-Horrors ist die Unausweichlichkeit des Ichs. Die klaustrophobische Einheitlichkeit der eigenen Person ist das zentrale Motiv eines surrealen Schauerstücks besessen vom Abspalten, Reproduzieren und Eliminieren von Persönlichkeitsanteilen, die sich gleich psychischen Parasiten je tiefer in die eigene Seele bohren, desto radikaler man sie zu exorzieren versucht. Wie der gescheiterte Schriftsteller James (Alexander Skarsgard, The Northman), den die symbolische Sezession seiner angelehnten Charakterfacetten diesen anderen Ichs immer näher bringt. 

Das abgeriegelte Urlaubsressort, dessen elitärer Klientel sich durch die institutionalisierte Hinrichtung von Klonen der Verantwortung für versehentliche und absichtliche Vergehen entziehen kann und das so generierte moralische Vakuum zu sadistischen Exzessen nutzt, ist eine psychopathologische Pervertierung des klassischen Doppelgänger-Narratives. In der von gleißenden Lichtern und grellen Farben verzerrten Luxus-Welt eskalierenden Privilegs repräsentiert das Double nicht die bösartigen, sondern positiven Eigenschaften. Deren Tötung in einem Schauspiel von abstrahierter Autoaggression beizuwohnen, erlaubt James seinen unterdrückten Selbsthass auszuleben.

Der psychologischen Parabel symbiotisch verwachsen ist die ätzende Kritik einer Gesellschaft des zelebrierten Zynismus und exhibitionistischer Extreme. Die von Mia Goth (Pearl) mit faszinierender Ambivalenz verkörperte Gabi, die einer Clique sich brutalen Exzessen mit anschließender Klon-Katharsis hingebenden Gästen angehört, (ver)führt ihn auf dem Weg durch den Spiegel. Doch von dessen anderer Seite aus ist die reflektierte Realität nur noch eine grausame Farce. Das ego kennt kein alter. Am Ende bleibt jede:r mit sich selbst allein.

Fazit

In seiner hypnotischen Horror-Vision verformt Brandon Cronenberg die Urängste vor dem gespiegelten Ich zu einer monströsen Metapher soziopathischer Selbstverachtung und deformierender Dekadenz. Persönlichkeit und Physis werden zum endlos verwertbaren Verbrauchsartikel als Ausdruck ultimativer Unantastbarkeit. Psychedelisch pulsierende Klang- und Farbkulissen illustrieren die konsumeristische Korruption der Figuren. Deren monströse Masken enthüllen ihr wahrhaftiges Wesen, berauscht vom materialistischen Macht-Monopol. Dass die stereotypen Charaktere gegenüber dem kapitalismuskritischen Psychogramm ungleich schematische Klone sind, macht die bitterböse Pointe paradoxerweise noch sarkastischer.

Autor: Lida Bach
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