Selbst wer mit dem Fahrradsport herzlich wenig anfangen kann, sollte die Begriffe Tour de France und Doping miteinander verbinden können. Einer der ganz großen sportlichen Skandale machte jüngst aus dem beliebten wie erfolgreichen Sport quasi eine Art Lachnummer. Das Interessante: Als die Wahrheit ans Licht kam, war dies nicht mehr als ein endgültiges Ausrufezeichen hinter der öffentlichen Anklage, dass im Radsport mit unlauteren Mitteln nachgeholfen wird. Der Sportler, der stellvertretend für diesen Skandal stand, war der Radprofi Lance Armstrong, der die strapaziöse Tour de France insgesamt sieben Mal gewann und dabei gerne auch mal Zeitrekorde brach. Ein strahlender Held und Vorzeigeathlet, der sich nach einer schweren Krebserkrankung scheinbar mühelos zum besten Radsportler der Welt hochkämpfte. Doch wie kann es sein, dass ein junger Radler – der vor seiner Erkrankung qualitativ eher im Mittelfeld agierte – quasi über Nacht all seine Konkurrenten düpierte?
Diese Frage beschäftigte des Sportjournalisten David Walsh, der den großen Doping-Skandal mit aufklärte und darüber ein Buch („Seven Deadly Sins“) schrieb, welches die Vorlage für „The Program – Um jeden Preis“ ist. Der britische Regisseur Stephen Frears („High Fidelity“) machte aus dem erfolgreichen Buch, welches als literarisches Standardwerk zum Thema Tour de France und Doping gilt, eine klar strukturierte, filmische Abhandlung über die damaligen Ereignisse. Dabei steht ganz klar Armstrong im Fokus, doch „The Program – Um jeden Preis“ legt auch das System frei, welches Sportlern wie eben Armstrong erlaubte zu dopen. Das ist wirklich sehr interessant, vor allem wenn man die damaligen Schlagzeilen zum Thema mitbekommen oder gar verfolgt hat. Frears zeigt klar und ohne sonderliche Mätzchen auf, wie dies alles funktioniert hat und auch wie blind viele Medien gegenüber den schon damals erhobenen Vorwürfen waren.
Insgesamt lässt sich „The Program – Um jeden Preis“ mehr als ein filmisches Protokoll beschreiben, als ein handelsübliches Drama. Nicht falsch verstehen, es gibt eine Menge Szenen, die den Figuren weitere Ebenen einverleiben, aber letztlich ist der Film daran interessiert eine Art Aufklärungsbericht abzuliefern. Dieser erweist sich als sehr akribisch und teilweise etwas zu starr eingefangen, verfehlt aber nicht seine Wirkung. Denn „The Program – Um jeden Preis“ ist natürlich auch eine cineastische Abhandlung über Armstrong, dem gefallenen Helden des Radsports.
Gespielt wird dieser von Ben Foster, der hier neben seinen darstellerischen Höchstleistungen in „Todeszug nach Yuma“ oder dem meisterhaften „The Messenger – Die letzte Nachricht“ erneut beweist, dass er vielleicht nicht einer der größten und bekanntesten Darsteller der Jetztzeit ist, definitiv aber einer der besten. Er verkörpert Armstrong wunderbar nuanciert, wandelt stets auf der dünnen, roten Linie zwischen Dämonisierung und Heroisierung, rutscht aber niemals zu einer der beiden Seiten ab. Auch die anderen Darsteller geben sich keine Blöße, auch wenn sie – ganz wie im Radsport – meist als Windschattenerzeuger für Armstrongs Rolle dienen und sich dadurch nicht wirklich entfalten können.
Vor allem bei Chris O’Dowd („Am Sonntag bist Du tot“), der David Walsh spielt, und Jesse Plemons („Breaking Bad“), der Armstrongs Teamkollegen Floyd Landis verkörpert, ist es schade, dass ihre Figuren trotz Bemühungen des Drehbuchs niemals wirklich durch ihre Entwicklung den Film mitgestalten. Aber dafür traut sich „The Program – Um jeden Preis“ wenigstens kurz einen kleinen, dezenten Scherz, wenn die Fahrer aus Armstrongs Team sich über eine etwaige Verfilmung ihrer Erfolge unterhalten und Matt Damon als möglicher Darsteller für Landis gehandelt wird.
Dieser kleine Gag ändert aber nichts daran, dass hier ohne Wenn und Aber Lance Armstrong im Zentrum steht und es ist vor allem Foster zu verdanken, dass „The Program – Um jeden Preis“ einen packt. Am Ende macht der Film überdeutlich, wie sehr Armstrong dem Sport geschadet hat und auch wie sein eigener Egoismus und seine sture Arroganz andere Karrieren gefährdeten wie zerstörten, doch niemals wird er als reinrassiger Beelzebub charakterisiert, sondern mehr als Fabulant, der sich ein Imperium aufbaute aus Lügen, Korruption und falschen Erfolgen und jeden Schritt im Rampenlicht genoss. Aber keine Sorge, „The Program – Um jeden Preis“ macht mehr als deutlich, dass das Doping-System von Armstrong und seinen Mitwissern kein Kavaliersdelikt war, sondern schlicht und ergreifend ein Verbrechen, welches im großen, mafiösen Stil betrieben wurde.