Mit Frontier(s), seinem Regiedebüt im Spielfilmsektor, wurde Xavier Gens quasi über Nacht neben Alexandre Aja (High Tension), Pascal Laugier (Martyrs) oder dem Duo Alexandre Bustillo & Julien Maury (Inside) zu einer der Gallionsfiguren der „Neuen französischen Härte“-Welle. Stilistisch hochwertige, knüppelharte (und somit von der deutschen FSK allesamt selbst bei heutiger, lockererer Auslegung immer noch als No-Go eingestufte) Horror- und Terrorfilme aus Frankreich, bei dem Gens‘ räudiger TCM-Replikant das schwächste Glied dieses prominenten Quartetts darstellte. Nichtsdestotrotz zieht sein Namen immer noch gut genug, um ihn als Executive Producer vor den Karren dieser Produktion zu spannen, wohl auch in der Hoffnung die Fangemeinde von einst (denn so schnell diese radikale Wucht-Bewegung aufkam, so eindeutig ist sie inzwischen wieder eingeschlafen) als zahlende Kundschaft wieder an Bord zu holen. Und auf den ersten Blick nicht unberechtigt, auch wenn das Regiedebüt des ebenfalls als Autor fungierenden Mathieu Turi eigentlich an ganz andere Vorbilder erinnert.
„All Dead“ ist an ein ehemaliges Ortsschild in einem verkümmerten Ödland gesprüht und das scheint nicht zu viel versprochen. Juliette (Brittany Ashworth, Accident Man) ist in ihrem Jeep unterwegs, die Pistole stets im Anschlag, sobald sie das Fahrzeug verlassen muss. Sie sucht nach Lebensmitteln für ihre 39 Köpfe starke Gemeinschaft von Überlebenden in den Trümmern einer postapokalyptischen, ausgedörrten Welt, von der wir nur diesen klitzekleinen Teilausschnitt zu sehen bekommen, aber viel mehr existiert wohl auch nicht mehr. Bis auf die, die neben dem grundsätzlichen Überlebenskampf eine konkrete Bedrohung darstellen. In erster Linie irgendwelche lichtscheuen, missgebildeten Kreaturen, die nur in der Nacht an die Oberfläche kriechen und dann auf der Suche nach Menschenfleisch sind. Als Juliette von der Straße abkommt, sich mit ihrem Auto überschlägt und mit einem offenen Beinbruch aufwacht, scheint ihr letztes Stündlein geschlagen. Denn draußen ist es schon dunkel, sie kann sich kaum bewegen und mindestens einer der gierigen Ungeheuer schleicht bereits um die Unfallstelle.
Das Setting erinnert an Filme wie The Road oder Vampire Nation, die eigentliche Situation sogar etwas an Jeepers Creepers II und wenn sich der eindeutig nicht untalentierte Mathieu Turi genau darauf wirklich konzentrieren würde, womöglich wäre Hostile ein recht feines, kurzweiliges Endzeit-Survival-Stück geworden. Hätte, wäre, wenn, alles gut und schön in der Theorie, nur grätscht sich Monsieur Turi (vermutlich) hochambitioniert selbst in die Parade, da er sein an und für sich komplett ausreichendes, extrem stimmungsvoll begonnenes Szenario – für den Zuschauer lange nicht nachvollziehbar – gnadenlos zerfleddert. Anstatt Juliette durchgehend bei ihrer unangenehmen wie packenden Lage beizuwohnen wird man immer wieder aus der Situation gekegelt, um einen Blick in ihre Vergangenheit zu werfen. In die Zeit vor dem großen Knall oder was auch immer die Welt zu dem gemacht hat, was sie nun ist. Da zwischen dem Hier und Jetzt, im umgekippten Jeep mit kannibalischen Monstrum im Dunstkreis, und einer Vernissage in New York aufgrund des Aussehens der Protagonistin nur irritierend wenig Zeit liegen kann ist man zunächst sehr gespannt, in wie fern diese völlig entrückt wirkenden Momente bisher ausgebliebenden Erklärungslücken schließen werden.
Um dem vorwegzugreifen: Kurzfristig betrachtet schaden sie dem Film nur massiv, denn diese Aschenputtel-Junkie-Geschichte mit heftigem Zwischentief scheint lange verdammt wenig mit dem zu tun zu haben, was den eigentlich interessanten Part ausmacht. Hilft es die Figur von Juliette besser zu erläutern? Klar. Ist das notwendig? Nein, wozu auch?! Und genau deshalb fragt man sich andauernd, warum mindestens die Hälfte der gerade mal knapp über 80 Minuten für diesen unnötig aufwändigen Rückblende-Marathon verbraten wird, während der Spannungs-Torso im Genre-Modus eigentlich prima funktionieren könnte. Es fühlt sich an wie zwei gänzlich unabhängige Kurzfilme, die aus fragwürdigen Gründen miteinander auskommen müssen. Eventuell um auf die übliche, notwendige Länge eines Spielfilms zu kommen? Könnte man meinen, aber die Antwort ist dann doch eine andere und wenigstens gut zu begründen, was sie rückwirkend aber trotzdem nicht zur Ideallösung macht.
Bis zum Schluss muss man ausharren, bis sich endlich erschließt warum dieser ganze Eiertanz so ausgiebig zelebriert wurde. Spitze…und jetzt? Da hat sich Mathieu Turi wohl gedacht, er arbeitet behutsam auf eine hintergründige, kluge und emotionale Pointe hin, die aber unterm Strich kitschig und beinah albern anmutet. Dafür hat er sich praktisch ohne Not das eigene Wasser durchgehend abgegraben? Einen interessanten, von der handwerklichen Umsetzung absolut überzeugenden B-Geheimtipp so pseudo-verkopft, dass es in der banalen Auflösung bald einer Parodie gleicht? Fast schon ärgerlich, zumindest fahrlässig. Oder eher ein Fall von falscher Selbsteinschätzung. Schade drum, wirklich.