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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Japanischer Thriller in schwarzweiß von Akira Kurosawa, in dem Toshirō Mifune und Tatsuya Nakadai die Hauptrollen spielen. Als Verbrecher das Kind eines reichen Managers entführen wollen, es aber mit dem Sohn des Chauffeurs verwechseln, zahlt der Manager dennoch. Dadurch verliert er sein Hab und Gut und gerät in arge Bedrängnis, während der Entführer noch nicht geschnappt wurde.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Hach, der Akira Kurosawa. Kann man ihn eigentlich nicht mögen? Kann einem dieser Level an Genialität verschlossen bleiben? Können die den Filmen immanente Konflikte kalt lassen, die visuellen (nicht Spielereien, sondern) Meisterschaften nicht beeindrucken und die Filme beim Rezipienten nicht auf einer Stufe stehen, die pure Unnachahmbarkeit bedeutet? Anders gefragt; ist es noch menschlich, was der Herr immer wieder in seinen Filmen geleistet hat? Anders gesagt; Kurosawas Werke sind wie eine große Bibliothek, in der das Wissen der Welt gesammelt und jedem zugänglich gemacht wird. Er zeigt dem Besucher die richtige Richtung, begleitet ihn zum Ziel, schlägt das korrekte Buch auf der passenden Seite auf und sieht mit Zufriedenheit, wenn sich der allseits beliebte Aha!-Effekt einstellt. Mit Kurosawa kann man Film verstehen.

Mit Zwischen Himmel und Hölle verfilmt Kurosawa einen Kriminalroman von Ed McBain, der unter dem Titel Kings Lösegeld in Deutschland erschienen ist. Die parabelhafte Handlung offenbart dabei einen Inhalt, der auch heute noch, über 50 Jahre später, nicht aktueller sein könnte und wahrscheinlich an keinem Tag seines Lebens auch nur geringfügig an Signifikanz verloren hat. Das Kind eines Menschen der Unterschicht wird entführt, ein Mensch der Oberschicht soll zahlen. Die Dilemmata des Werkes entfalten sich dabei auf höchst elegante Art und Weise. Es heißt dann eigene (Karriere-)Träume vs. Moral, Ich vs. Du, Egoismus vs. Altruismus, erwachsene Rationalität vs. kindliche Naivität. Letzteren Punkt fängt Kurosawa einmal mehr genial ein. Die Polizisten fahren im Auto auf der Jagd nach dem Täter. Sie fahren durch einen Tunnel, die Lichter erhellen die Gesichter, die Schatten lassen sie in der Dunkelheit verschwinden. Es ist die licht-visuelle Version vom guten alten „Peek-a-boo“-Spiels - nur eben mit einem nicht kinngerechten Kontext. Doch damit nicht genug. Viel mehr noch geht es auch um den Kapitalismus, Menschlichkeit in der Industrie, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und dem gottgleichen Sichselbstamnächstensein der Oberschicht.

Der Film beginnt in der Großstadt, während die Namen von Cast und Crew über die Bilder gelegt werden, sehen wir das Durcheinander einer Großstadt. Keine Konturen, höchstens Bewegung und irre viele Linien. Viele Häuser, noch mehr Häuser, ein vorbeiratternder Zug, Dampfwolken der Kraftwerke. Japan in der Zeit des kapitalistischen Industrialismus, wo das Auge keinerlei Zeit hat, um sich auszuruhen. Dementsprechend stark fällt der Kontrast zum nächsten Bild auf, wenn Kurosawa in Totalen wechselt und mit geschmeidigen Kamerabewegungen um die Figuren tanzt. Wir sind in einem Haus mit einer großen Fensterwand, durch die man auf die gesamte Stadt blicken kann. Es ist wie dir Burg eines Königs, besser noch, wie das Hause Gottes. Die dynamischen Freiheiten der Oberschicht, die sich selbst stets einräumen, florieren in vollem Umfang. Mr. Gondo lebt ein reiches Leben, eines, das er sich hart erarbeitet hat und er hat es sich fest in den Sinn gepflanzt, dass er noch reicher werden wird. Mit einem nicht ganz moralischen Manöver zwar, aber der Zweck heiligt halt alle Mittel. So ist das in der Erwachsenenwelt.

Gleich in der ersten Szene mit Herrn Gondo (natürlich Toshiro Mifune), wird mit ihm und Geschäftspartnern diskutiert, was der Unterschied zwischen Hüten und Schuhen sei. Es geht dabei natürlich um den internationalen Titel des Films: High and Low. Die Unteren tragen all die Last, die oberen vollenden das Erscheinungsbild und grenzen den Menschen von allen möglichen übermenschlichen Wesen ab. Allein diese Szenerie in der Wohnung Gondos, in der wir die komplette erste Stunde des Films verbringen werden, zeigt dabei eine impulsive Entfremdung, die in der kapitalistischen Gesellschaft zu Gang und Gäbe verkommt. Dies und offener Sexismus, selbstverständlicher Argwohn, spielerische Gewalt und eine generelle Beschlagnahmung von Lebenszeit. „A man must kill or be killed.“ Es ist also eine lebensnotwendige Gier, die Gondo dazu treibt, immer mehr zu wollen, stets Blut zu wittern und der Spur zu folgen. Seine Frau ist dabei ein Gegenpol. Sie kommt ohnehin aus gutem Hause, ist vollkommen der Harmonie hingegen. Kurosawa lässt diese beiden Wesen und Welten kollidieren; die der Armen und Reichen, die von Mann und Frau, die von verschiedenen Familien und Gesellschaften. Das treibt er so weit, dass man gar nicht weiß, in welcher Reihenfolge man all die Gegensätze nennen soll.

Nach einer Stunde schließlich befreit Kurosawa uns aus dem klaustrophobisch engen Himmel der Oberschicht und wirft uns in eine Verfolgungsjagd nach einem Kindesentführer. Doch darum geht es nicht wirklich; Kurosawa errichtet zunächst keine Suspense-artigen Szenen, keine Parallelmontage, bis der Junge am Ende des Films befreit wird und alles gut ist. Er teilt die Handlung sehr genau ein, separiert die Kapitel und lässt als roten Faden die gesellschaftlichen und sozioökonomischen Verschiebungen im Umfeld der Hauptfiguren durch das Werk ziehen. Es zeugt von unmenschlicher Genialität, wie Kurosawa hier nicht nur ein Ensemble inszeniert, sondern jenes immer wieder in Vorder- und Hintergründe perfekt einfügt. Wie er Bewegung in tote Umgebungen bringt, wie er entfremdete Passanten einführt, die gesichtslos durch die Gegend laufen und so einen leisen Surrealismus in seine Parabel einführt. The Face of Another wird es ihm nur drei Jahre später nachtun. Vom Himmel zieht der japanische Regisseur den Zuschauer in die Hölle, das Inferno, in die rauchende Industrielandschaft. Der pinke Rauch aus dem Schornstein verspricht dabei zwar einen Hoffnungsschimmer bei der Suche, aber auch ein Versprechen der toxischen Seuche in der Gesellschaft.

Und wenn sich die Kontraste und Widersprüche gar nicht mehr steigen lassen, dann findet Kurosawa eine Möglichkeit, es doch zu tun. Ein Paradoxon der Extraklasse ist es schließlich, wenn in einer Gesellschaft die Opfer des Verbrechens nach der Verurteilung mehr zu leiden haben, als der Täter. Und so endet der Film mit einem deutlichen Vergleich; was ist der Täter in Angesicht des Opfers und umgekehrt? Sie sind beide vom System bedingt, zwei Seiten einer Medaille. Wie Magnete, die einander abstoßen und - aufgrund von limitiertem Platz - wieder anziehen.

Fazit

Mit „Zwischen Himmel und Hölle“ hat Akira Kurosawa ein Meisterwerk abgeliefert. Punkt, Ende, Aus. Die zunehmende Entfremdung der Gesellschaft wird hier wunderbar inszeniert, nicht nur in Form der Positionen der Figuren, sondern auch in Bezug auf die Kulisse des Filmsets. Anfangs zeigt die große Fensterfront noch die Skyline einer Großstadt - und dennoch wirken die Bilder klaustrophobisch. Der Film ist stilbildend, visuell herausragend, an Spannung und Intellekt kaum zu überbieten und von meiner inszenatorisch minimaoistischen Passivität geprägt, die all die großen angesprochenen Themen des Films in ihrer Wirkung potenziert. Was ist ein Menschenleben wert? Was das eigene, was ein fremdes? Was das Prestige, was der Stolz? Der Kapitalismus führt so weit, dass er ein Leben derart kontrollieren kann, dass er ihm sogar die Zeit nimmt - und was, wenn nicht das, hat das Leben schon zu bieten?

Kritik: Levin Günther

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