MB-Kritik

Green Line 2024

Documentary

Inhalt

Fida wuchs während des Krieges in Beirut in den 1980er Jahren auf, mitten in der „roten Hölle“, von der ihre Großmutter ihr immer erzählte. Die Trivialisierung des Todes ließ sie am Wert des Lebens und am Sinn dieses nie endenden Krieges zweifeln, der so vielen anderen ähnelte. Anhand von Miniaturfiguren und Modellen begegnet sie den Milizionären und konfrontiert ihre Kindheitsvision mit deren.

Kritik

Die titelgebende Grenzlinie, die von 1975 bis 1990 Beirut teilte, zieht sich in unsichtbar bis in die Gegenwart als mentale Mauer zwischen dem Bewussten und dem, was ausgeblendet wurde. Für Fida Bizri zählte dazu der Anblick der Erschossenen, an denen sie als 3-Jährige auf dem Heimweg mit ihrer Großmutter vorbeiging. Damals sagte ihre Großmutter, dass sie „in der roten Hölle“ seien. Jahrzehnte später kehrt Fida zurück an diesen Ort, wo der Tod Teil des Alltags war.

Auf der Leinwand wird dieser Alltag zu einer gespenstischen Puppenstadt, bevölkert von Plastiksoldaten und voll roter Farbklecksen. Fida ist eine Drahtpuppe in rotem Kleid, ähnlich dessen, das sie als Erwachsene vor Sylvie Ballyots (Regarde-moi) Kamera trägt. Die Spielzeug-Rekonstruktion der bruchstückhaft Erinnerten impliziert einerseits ihre einstige kindliche Perspektive, andererseits eine therapeutische Aufarbeitung der traumatischen Erlebnisse. Schlimmer als die Bomben empfand die Protagonistin die verstreuten toten Körper und den Mangel an Erklärungen, die sie in der Gegenwart sucht.

Dafür wandert sie durch Beirut und befragt die alte Generation nach deren Erinnerungen, um die Leerstellen in ihrer zu füllen. Doch die Vergangenheit lässt sich nicht wie ein Puzzle zusammensetzen; sei es die eigene oder eine historische. Was sie hört, manchmal von der selben Person, ist verwirrend widersprüchlich. Kaum jemand will sich dem stellen, was er getan hat, insbesondere, da die eigentlichen Fragen universell sind: Was brachte ihr Gegenüber dazu, in diesem Krieg zu kämpfen?

Fazit

“Ich sitze hier nur und vergesse.“, sagt einer der alten Männer, die Sylvie Ballyots dokumentarisches Re/Konstrukt nach ihrer Rolle im libanesischen Bürgerkrieg befragt, „Menschen haben die Gabe, zu vergessen.” Doch gerade das will Co-Drehbuchautorin Fida Bizri, die treibende Kraft einer Art filmischer Selbsttherapie erscheint, nicht. Und auch andere sollen nicht vergessen, verdrängen, verleugnen. Die zwischenmenschlichen Konfrontationen, die das Konzept provoziert, sind ambivalent; nicht nur in ihrer Präsentation und Aussagekraft, sondern auch ihrer subjektiven Schuldverteilung.

Autor: Lida Bach
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