MB-Kritik

Gaucho Gaucho 2024

Documentary

Inhalt

In einem verfallenden Ort im ländlichen Argentinien gibt es sie scheinbar noch, die echten Cowboys und Cowgirls, die zu dem Land um sie herum und den Tieren eine besondere Beziehung haben.  In ihrer neuen Dokumentation tauchen Michael Dweck and Gregory Kershaw in diese wie aus der Zeit gefallene Welt ein und beobachten eine Gruppe dieser Gauchos bei ihrem Leben.


Kritik

Als stilistisches Zitat klassischer Hollywood-Western ist das Poster Michael Dwecks und Gregory Kershaws pseudo-authentischer Hommage einer zahlreicher direkter und indirekter Hinweise auf die fiktive Überhöhung der titelgebende Trope. Jene erscheint auf den elegischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die in diesem Sinne mehr als Referenz an die monochrome Ästhetik kinematischer Klassiker denn als Maker dokumentarischer Echtheit aufzufassen ist, nicht nur als praktischer Lebensweg, sondern spirituelle Einstellung. Jene ist untrennbar verbunden mit einer alles andere als unproblematischen Ikonographie und Idealisierung. 

Jedesmal wenn es für einen Moment scheint, das Regie-Duo würde eine negative Facette des abgebildeten Alltags einer kleinen Gemeinde argentinischer Cowboys und Cowgirls zeigen, oder zumindest ökonomische, ökologische oder strukturelle Herausforderungen anerkennen, macht die stilisierte Inszenierung einen Rückzieher. So wirkt das Leben des halben Dutzend Figuren, denen der pastorale Plot beiläufig folgt, nicht nur aus der Zeit gefallen, sondern aus der Realität. Die elegischen Kamerabilder sind die einzigen Marker der Moderne an dem namenlosen Schauplatz.

Jener ist weniger ein wahrhaftiger Ort als ein von Wild-West-Romanen und Leinwand-Ikonen inspiriertes Traumland. Hier leben Mensch und Natur in Einklang, die Freiheit ruft auf dem Pferderücken und auch Mädchen wie das einzige Cowgirl unter den Männern dürfen ihre Ziele verfolgen. Dass dieses kinematisch konservierte Konstrukt auf Machismo und Kolonialismus basiert, ignoriert die harmonische Heroisierung genauso wie den inhärenten Reaktionismus und Rassismus der revisionistischen Romantik. Diese gibt der naiven Nostalgie der schwärmerischen Szenarien einen bitteren Beigeschmack.

Fazit

Wenn ein kindlicher Protagonist in Michael Dwecks und Gregory Kershaws märchenhafter Mockumentary verkündet, er wolle nicht nur ein „Gaucho“ sein, sondern ein „Gaucho Gaucho“, verweist dies auch auf die cineastische Verklärung eines uramerikanischen Mythos. Es ist die nationalistische Legende einer fiktiven Vergangenheit ohne Krisen und Konflikte. Selbst ein Bruch mit gesellschaftlichen Normen mündet in der Bestätigung der Tradition, deren Weiterführung höchstes Glück der jungen Generation ist. So imposant die Bilder sind, so fragwürdig ist deren Subtext.

Autor: Lida Bach
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