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Der radikale Wissenschaftler Victor Frankenstein und sein ebenso brillanter Schützling Igor Strausman teilen eine noble Vision: durch ihre bahnbrechenden Forschungen wollen sie der Menschheit zur Unsterblichkeit verhelfen. Aber Victors Experiment geht zu weit und seine Obsession hat grauenvolle Konsequenzen. Nur Igor kann seinen Freund am Rande des Wahnsinns erreichen und ihn vor seiner monströsen Kreation retten.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Wenngleich es bereits im Jahre 1910 zu einer 13-minütigen Adaption von Mary Shelleys Jahrhundertroman „Frankenstein“ gekommen ist (produziert von den Edision Studios), wird, sprechen wir von der filmischen Existenz der mannigfaltigen Erzählung um einen Wissenschaftler, der aus ineinander montierten Leichenteilen neues Leben erschaffen möchte, immerzu James Whales Klassiker von 1931 herangezogen. Boris Karloff wurde über Nacht zur Legende , sein Antlitz wird immer die erste Assoziation mit Frankensteins Monster bleiben, was auch der formidablen Maskenarbeit von Jack Pierce geschuldet ist, die ikonische Maßstäbe setzte und Universal Pictures einen Erfolg verschaffte, auf den das arrivierte Produktionsstudio noch heute mit einem breiten Lächeln zurückblicken darf. Natürlich ist es nicht nur bei diesen beiden recht freien Annäherungen an den „Frankenstein“-Stoff geblieben. Stattdessen ist man gewillt zu sagen, dass die Leinwandkarriere von „Frankenstein“ auch eine Geschichte der medialen Reproduzierbarkeit bedeutet: Rowland V. Lee, Kenneth Branagh, Mel Brooks oder Stephen Sommers haben sich ebenfalls dem Sujet angenommen.

Und mit „Victor Frankenstein“ steht nun das nächste Kapitel dieser Geschichte vor der (Kino-)Pforte. Wer nun aber glauben möchte, dass sich Regisseur Paul McGuigan („Lucky#Slevin“) tatsächlich einmal ausgiebig der Psychologie des schrulligen Wissenschaftlers annimmt und ihn zum Zentrum des Films erklärt, der täuscht sich. „Victor Frankenstein“ wird aus der Perspektive des Gehilfen Igor (Daniel Radcliffe, „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“) erzählt, während Victor Frankenstein (James McAvoy, „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“) dessen Werdegang (das muss man zugeben) mit üppiger Screentime flankiert. Igor indes wird zum Dreh- und Angelpunkt. Zur emotionalen Basis. Wir erleben ihn als bucklige Monstrosität in einem Zirkus, die nie gelernt hat, die Grausamkeit zu verurteilen, die ihr tagtäglich widerfährt, weil sie Zeit ihres Lebens schlicht nichts anderes erfahren hat. Und wir sehen Igor als wissbegierigen jungen Mann, der von Victor aus seinem (Spektakel-)Gefängnis befreit wird und die Chance bekommt, Seite an Seite mit ihm kopfüber in Forschungsarbeit zu versinken.

Es ist daher auch eine soziale Initationsgeschichte, die nachzeichnet, wie es Igor gelungen ist, den Weg in die gesellschaftliche Mitte zu finden. Daniel Radcliffe besitzt nicht die schauspielerische Finesse, um dem Charakter des Igors die nötige Dynamik zu verleihen und darüber hinauszuwachsen, nicht nur das Mitleid des Zuschauers zu erhaschen. James McAvoy hingegen chargiert sich durch das historische Setting, prustet endlose Spuckefäden und muss sich als verkanntes Genie nachsagen lassen, dass es ihm zwar nicht an intellektuellen, aber an sozialen Kompetenzen nachhaltig fehlt. Igor und Victor funktionieren folgerichtig deswegen miteinander, weil der eine die Schwächen des anderen reflektiert. Schade nur, dass „Victor Frankenstein“ sich nicht getraut hat, der Beziehung einen queeren Subtext zu erlauben, Möglichkeiten hätte es genügend gegeben: Allein die Entfernung von Igors Buckel ist ein metaphorischer Ausdruck homosexueller Entsaftung. Anstelle dessen wird Igor eine lieblose Anbandlung mit Lorelei (Jessica Brown Findlay, „Winter's Tale“) aufgebürdet – ohne einen Funken erotisches Knistern zu entfachen.

Im Großen und Ganzen bleibt „Victor Frankenstein“ ein recht blasser Film, weil es Paul McGuigan nicht gelingt, die Charaktere mit dem entsprechenden Eigenleben zu grundieren, was ein antiklimatisches Gefüge in der Präsenz zwischen Daniel Radcliffe und James McAvoy entfacht: Letzterer reist den ehemaligen Zauberschüler über den Großteil der Handlung einfach mit und ist nicht unwesentlich dafür verantwortlich, dass in „Victor Frankenstein“ ein ums andere Mal ulkige Camp-Spuren sprießen. Es wäre ohnehin nur von Vorteil, hätte sich das Projekt von Beginn an nicht so ernst genommen und sich dem entfesselt agierenden James McAvoy angepasst – Edeltrash mit Gute-Laune-Faktor wäre durchaus vorstellbar gewesen. So versackt das Werk weitestgehend im Durchschnitt und ist vermutlich schneller vergessen, als es allen Beteiligten lieb sein dürfte. Immerhin gefällt „Victor Frankenstein“ als Period Picture, da kann McGuigan auch sein Talent für die historisierte Rekonstruktion aufzeigen und weidet sich zu Recht in seinem verschwenderischen Dekor an opulenten Garderoben, hochherrschaftlichen Schlössern und gotischen Gemäuern.

Fazit

„Victor Frankenstein“ ist durchschnittliche Kost, für die es sich nicht lohnt, den Kinosaal aufzusuchen. Wer es dennoch tun möchte, der kann sich an einem entfesselten James McAvoy und einer stimmungsvollen Rekonstruktion des historischen Londons erfreuen. Daniel Radcliffe hingegen bleibt weitestgehend blass, was sich auch auf den gesamten Film übertragen lässt: Eine blasse Veranstaltung, die schöpferischen Eigengeschmack vermissen lässt.

Kritik: Pascal Reis

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