Ein brillanter, aber egoistischer Wissenschaftler erweckt in einem monströsen Experiment eine Kreatur zum Leben, das letztendlich zum Untergang sowohl des Schöpfers als auch seiner tragischen Schöpfung führt.
Dramaturgisch und visuell ist Guillermo del Toros (Nightmare Alley) barocke Blutoper von Schöpfung und Schuld eine cineastische Kreatur ebenbürtig der unglücklichen Kreatur des Titelcharakters. Zusammengestoppelt mit manischer Megalomanie, speist das grandiose Gothic Melodrama Mary Shelly’s Roman-Vorlage mit Referenzen an James Whales Klassikern, Thomas Edisons obskurer Stummfilm-Kurzfassung, Hammer-Horror und sogar Kenneth Branaghs egomanisches Experiment. Die Kreatur verkörpert Jacob Elordi (Wuthering Heights) als tragischen Homunculus, dem menschenwürdiges Leben ebenso versagt bleibt wie erlösender Tod. Letzten zelebriert der Regisseur und Drehbuchautor in makaberen Memento Mori, inspiriert von viktorianischer Malerei, medizinischen Moulagen und Francis Bacons Kupferstichen.
Stop-Motion-Technik und Animatronics kreieren wunderbar morbide Tableaus, haptischer und körperlicher als steriles CGI. Diese detaillierte Plastizität schafft in Szenenbildern von düsterer Opulenz ein historisch bestechend akkurates Gruselkabinett zwischen Theater und blutrünstigem Budenzauber. Sorgsam platzierte und sparsam dosierte Jump Scares akzentuieren die schwarzromantische Schauerstimmung. In der dichten Atmosphäre und den barocken Bildkompositionen liegt der Reiz des elegischen Horror-Epos. Das folgt der Romanstruktur eines dämonischen Diptychons: ein Handlungsrahmen fasst zwei subjektive Rückblenden, die das Geschehen aus Sicht Victor Frankensteins (fiebrig: Ralph Ineson, Wolf King) und seiner Schöpfung wiedergeben.
Der grausige Erschaffung der aus Leichenteilen zusammengesetzten Kreatur verwurzelt Victors Streben, den Tod zu besiegen, nicht in humanistischer Hybris, sondern freudianischen Hass auf seinen rigiden Vater (Charles Dance, Washington Black) und stellvertretend das Konzept eines göttlichen Übervaters. Dessen mephistophelisches Gegenbild - mit amüsanten Anklängen Ernest Thesigers Dr. Pretorius - ist Christoph Waltz’ (Old Guy) zynischer Waffenhändler Herr Harlander. Seine feinfühlige Nichte Elizabeth (Mia Goth, The Odyssey) wird Victors zweite Obsession. Die Verlobte Victors jüngeren Bruders William (Felix Kammerer, Eden) als Braut Frankensteins ein Prisma der Projektionen dreier grundverschiedener Männer: der fanatische Protagonist, sein warmherziger Bruder und die Kreatur.
Mit seiner blass-grauen Haut, geometrischen Narben und statueskem Körperbau ist das in Mumien-mäßige Bandagen-Boxershorts verpackte Wesen ein Milton’scher Anti-Held, dessen kindliche Unbedarftheit Grausamkeit in Rachedurst verwandeln. Zum Gothic Grand Guignol der ersten Erzählung liefert der märchenhafte Bericht der Kreatur ein sentimentales Gegengewicht. Dan Laustens in Gaslicht und Kerzenschein getauchte Kameraaufnahmen erheben den zeitlosen Stoff zum dämonischen Poem. Enorme Laborapparate, anatomische Schautafeln, karnevaleske Kostüme und museale Bauten erschaffen eine berauschende Welt, die ihre Geschichte zu ersticken droht. Thematische Tiefe findet die schauerromantische Symphonie im Exzess ebenso wenig wie innovative Interpretationen.
Fazit
7.0
Mit seiner operatischen Opulenz, ekstatischem Schauspiel und orchestralem Soundtrack schwelgt Guillermo del Toros monumentale Schauer-Elegie in überwältigenden Oberflächlichen. Horror und Hommage verschmelzen zu einem morbiden Melodrama, das die ikonischen Adaptionen des literarischen Stoffs in seine eigene Vision integriert. Aufwendige Sets, Verzicht auf CGI und handwerkliche Effekte verleihen der vielschichtigen Story fesselnde physische Präsenz und klassischen Charme. Shellys feministische Zeitkritik und progressive Radikalität sind trotz der relativen Werktreue nur ein schwaches Echo. Die philosophische und psychologische Komplexität des literarischen Originals sind kaum mehr als pathetische Patina.
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