Inhalt
Vor der lebendigen Kulisse einer von den 1960er-Jahren inspirierten, retro-futuristischen Welt erzählt The Fantastic Four: First Steps die Geschichte von Marvels erster Familie – Reed Richards alias Mister Fantastic, Sue Storm alias Invisible Woman, Johnny Storm alias Human Torch und Ben Grimm alias The Thing – während sie sich ihrer bislang größten Herausforderung stellen. Gezwungen, ihre Rollen als Helden mit der Stärke ihres familiären Zusammenhalts in Einklang zu bringen, müssen sie die Erde gegen einen gefräßigen Weltraumgott namens Galactus und dessen rätselhaften Herold Silver Surfer verteidigen. Doch als ob Galactus' Plan, den gesamten Planeten und alle darauf lebenden Wesen zu verschlingen, nicht schon schlimm genug wäre, wird es plötzlich auch noch persönlich.
Kritik
Seit ihrer ersten Veröffentlichung im Jahr 1961 gelten die „Fantastic Four“ als Grundpfeiler des modernen Superhelden-Comics. Als erstes Team, das Marvel-Mitbegründer Stan Lee gemeinsam mit Zeichnerlegende Jack Kirby erschuf, bildeten sie das erzählerische Fundament eines Universums, das heute globale Popkultur prägt. Doch während ihr Einfluss auf die Comicwelt unbestritten ist, verlief der Weg der „Fantastischen Vier“ auf der Leinwand bislang holprig – und das ist noch wohlwollend formuliert.
Die erste Verfilmung von 1994 verschwand direkt im Giftschrank und wurde zur skurrilen Fußnote der Filmgeschichte. Die beiden Kinofilme von 2005 und 2007 versuchten sich an einer leichten Popcorn-Tonalität, blieben aber erzählerisch wie inszenatorisch enttäuschend. Der düster-reduzierte Reboot von 2015 schließlich scheiterte krachend – geplagt von Produktionswirren, kreativen Konflikten und einer Atmosphäre, die weder Publikum noch Kritik mitriss. Der Eindruck verfestigte sich: Vielleicht lassen sich diese vier Ikonen einfach nicht adäquat für die große Leinwand adaptieren.
Doch nun wagt Marvel Studios unter dem Disney-Dach einen neuen Versuch – und diesmal im geschlossenen Kosmos des MCU. The Fantastic Four: First Steps markiert nicht nur einen Neuanfang, sondern trägt zugleich die stille Hoffnung, das prominent besetzte Team endlich so zu inszenieren, wie es seinem Status gebührt. Die Voraussetzungen dafür schienen vielversprechend: ein spielfreudiges Ensemble, eine Retro-Ästhetik im Sechzigerjahre-Stil und das erklärte Ziel, nicht erneut in die Fallstricke früherer Inkarnationen zu tappen.
Dabei war noch vor wenigen Monaten ungewiss, ob das Genre überhaupt wieder Luft holen könne. Superheldenfilme wirkten vielerorts wie müde Relikte vergangener Kinotage. Doch James Gunns Superman avancierte überraschend zum publikumsträchtigen Comeback des Genres – während die enttäuschenden Zahlen von Captain America: Brave New World und Thunderbolts* kurz darauf in den Hintergrund rückten. First Steps traf also einen Moment, in dem das Interesse am Genre vorsichtig zurückzukehren schien.
Umso ernüchternder ist es, festzustellen, wie wenig dieser Film aus seinen Chancen macht. Dabei will er einem vieles leicht machen: Auf eine ausführliche Origin-Story wird verzichtet, die Hintergrundgeschichte wird effizient via Rückblenden abgehandelt. Stattdessen steht von Beginn an die stilisierte Ästhetik im Vordergrund – ein Sixties-Retro-Chic, der zu Beginn durchaus reizvoll ist, dann aber rasch an Wirkung verliert. Trotz einiger charmanter Details wirkt das futuristische Szenario bald eher wie eine visuelle Ausflucht. Und man beginnt sich zu fragen: Wovon soll hier eigentlich abgelenkt werden?
Zum Beispiel von den Hauptfiguren, die trotz hochkarätiger Besetzung erstaunlich blass bleiben. Sie wirken nicht wie komplexe Charaktere, sondern eher wie Idealfiguren – aalglatt, ohne Reibungsflächen, dramaturgisch weitgehend passiv. „Perfect Four“ trifft es hier leider besser als „Fantastic“. Pedro Pascal darf leidenschaftlich mit Kreide an die Tafel schreiben, während sich Ben Grimm (Ebon Moss-Bachrach) alias „Das Ding“ mit Fragen der Körperpflege herumschlägt – Momente, die entweder amüsant gemeint sind oder entwaffnend inspirationslos. Wahrscheinlich beides.
Die Interaktionen innerhalb des Teams bleiben oberflächlich, echte Spannungen oder emotionaler Tiefgang sind kaum vorhanden. Und auch auf Seiten der Antagonisten herrscht gähnende Leere. Julia Garner als Silver Surfer wirkt wie eine Statistin im eigenen Film – man nimmt zur Kenntnis, dass sie da ist, mehr aber auch nicht. Noch enttäuschender gerät Galactus, der gefürchtete „Eater of Worlds“, dessen Präsenz in der Handlung zwar angedeutet, aber nie spürbar wird. Ralph Ineson, der in der Originalfassung die Stimme des gigantischen Wesens übernimmt, hätte eigentlich das Zeug dazu, selbst ein Telefonbuch episch klingen zu lassen. Doch der Film nutzt weder seine stimmliche Gravitas noch das Potenzial der Figur – alles bleibt erstaunlich unspektakulär.
So entgleitet dem Film zusehends die Kontrolle über das, was er eigentlich erzählen will. Je mehr die anfängliche Illusion einer „neuen Welt“ bröckelt, desto deutlicher wird: Regisseur Matt Shakman (WandaVision) versteht es zwar, einzelne visuelle Akzente zu setzen, doch eine erzählerische Dringlichkeit geht von seinem Werk nicht aus. Es gibt viele Szenen – in Retro-York, im All, im Inneren fremder Strukturen –, aber keine spürbare Entwicklung. Der Action fehlt es an Dynamik, der Inszenierung an Eigenständigkeit und der Handlung an Gewicht.
Auch dramaturgisch bleibt First Steps erstaunlich leblos. Was hier als Konflikt verkauft wird, erinnert eher an eine steril inszenierte Soap Opera: ungeschickte Dialoge, ausdruckslose Gesichter, Szenen, die wirken, als habe man die Struktur eines Heldendramas lediglich nachgeahmt, ohne sie mit Emotionen zu füllen. Zwar gibt es Versuche, Nebenfiguren Farbe zu verleihen – etwa durch Paul Walter Hauser als exzentrischen Mole Man oder Natasha Lyonne als Ben Grimms Bekannte. Doch beide bleiben Randnotizen, die zu Beginn eingeführt und erst gegen Ende wieder hervorgekramt werden.
So scheitert First Steps letztlich an den eigenen Ansprüchen. Der Film verpasst die Gelegenheit, eine wirklich lebendige Welt zu erschaffen – jenseits reiner Stilübung. Er bleibt eine Ansammlung wohlmeinender Versatzstücke, die weder als eigenständige Geschichte noch als gelungener Franchise-Start überzeugen. Das ikonische Quartett wird auf archetypische Funktionen reduziert, ohne dabei frische Impulse zu setzen. Alles fühlt sich an wie aus der Retorte: sorgfältig entworfen, aber seelenlos.
Dabei hätte man es diesem Film so sehr gegönnt, das Ruder herumzureißen. Gerade First Steps schien lange das Projekt zu sein, mit dem das MCU neue kreative Energie hätte freisetzen können – ein Aufbruch, statt nur ein weiterer Eintrag. Doch stattdessen wirkt auch dieses Kapitel wie ein weiterer Beweis dafür, dass künstlerische Vision zunehmend durch studiointerne Kontrollmechanismen ersetzt wird. Es ist nicht Matt Shakman, der hier inszeniert – es ist Marvel selbst. Und das ist, wie schon bei Captain America 4 oder Thunderbolts*, in erster Linie eines: ernüchternd. Doch die Enttäuschung sitzt bei First Steps tiefer. Weil man glauben wollte, es könnte diesmal anders sein.
Fazit
Trotz stilvoller Hülle und namhafter Besetzung bleibt der Neustart überraschend leblos. Weder Figuren noch Handlung entfalten Strahlkraft – was als Aufbruch gedacht war, endet als matte Fingerübung unter kreativer Bevormundung. Das MCU schafft sich weiter ab.
Autor: Sebastian Groß