Der exzentrische Millionär Howard Trent bezichtigt seine Ehefrau Irene der Untreue, da sie stetig von einem mysteriösen Liebhaber träumt. Es kommt zum Streit, in dessen Folge Howard bei einer Explosion in seinem Labor ums Leben kommt. Irene’s Träume werden danach aber nur noch realer, bald kann sie kaum noch zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden. Und auch der tote Howard ist nach wie vor präsent, inklusive ihres unheimlichen Liebhabers…
William Castle (Das Haus auf dem Geisterhügel) galt seinerzeit wie ein Hitchcock des kleinen Mannes und vielleicht waren sie sich bei Er kam nur nachts so dicht beieinander wie davor und danach nie wieder. Das liegt aber eindeutig an der Personalie Robert Bloch, der Ende der 50er einen relativ unbekannten Groschenroman schrieb, den Hitch massenweise aufkaufte, um möglichst vielen Menschen den Plottwist seines Opus Magnum vorzuenthalten. Daraus wurde Psycho (1960) und Robert Bloch wurde daraufhin ein in Hollywood relativ gefragter Drehbuchautor, zumindest in der B-Movie-Genre-Schiene. Nach Die Zwangsjacke lieferte er mit Er kam nur nachts das zweite Skript für ein Werk von William Castle, der sich in den späten 50ern als König des Gimmick-Films einen Namen gemacht hatte. Sein Publikum wurde mit falschen Verzichtserklärungen, Elektroschocks im Kinosessel oder über die Köpfe hinwegfliegenden Attrappen auch abseits der Leinwand getriggert, was seine kostengünstigen Schocker zum wahren Happening pushte. 1964 hatte sich das inzwischen totgelaufen und das Castle-Kino war „lediglich“ reduziert auf das On Screen-Geschehen.
Das mag wie ein Rückschritt klingen, war in der Tat aber das exakte Gegenteil. Vorherige Castle-Filme krankten eher daran, dass sie ohne die entscheidende Gimmick-Unterstützung nicht mehr recht funktionieren wollten (z.B. Kennwort Kätzchen), mit der deutlichen Fokussierung auf die eigentliche Handlung wird Er kam nur nachts um einiges interessanter. Der undurchsichtige Plot spielt schnell die Suspense-Karte und erweist sich besonders inszenatorisch als einer der stärksten Beiträge aus dem Œuvre seines Regisseurs. Schon der Vorspann erinnert in seiner surrealen Präsentation an die Werke von Salvador Dalí, der damit aber nachweislich nichts zu tun hatte. Hitch konnte sich ihn bei Ich kämpfe um dich noch leisten, Castle macht so was Ähnliches. Und so ähnlich muss man den ganzen Film sehen. Bei Hitchcock gab es Psycho von Robert Bloch, bei Castle gibt es Er kam nur nachts von Robert Bloch…als wenn er bewusst das Niveau angepasst hätte.
Von Beginn an wird eine rätselhafte Geschichte initiiert, deren Plausibilität aber schnell an einem extrem seidenen Faden zu baumeln scheint. Bis zur lang herausgezögerten Pointe bleibt aber genügend Zeit und diese wird von Castle und Bloch sehr effizient genutzt. Im Rahmen seiner Möglichkeiten teilweise wunderbar inszeniert entsteht eine spannende und mysteriöse Melange aus Horrorfilm, Thriller und Psychodrama, dessen finale Ausrichtung bis zum Schluss kaum ersichtlich ist. Auf was lassen wir uns hier ein? Bizarren Grusel zwischen Wahn und Wirklichkeit wie in dem Klassiker Traum ohne Ende (1945), ein cleveres Verwirrspiel wie in Die Teuflischen (1955) (nachweislich einer von Castle’s größten Inspirationsquellen) oder kompletten Autokino-Schmu, der bis dato aber schon richtig gut präsentiert wird? Die Antwort darauf fällt am Ende recht eindeutig aus und wer am Ende dieses Textes die Bewertung sieht, kann Antwort A und B quasi ausschließen, also was soll all die künstliche Geheimnistuerei?
Ja, Er kam nur nachts erweist sich am Ende als komplett hanebüchene Grusel-Wusel-Räuberpistole, die damit aber im Geiste perfekt in das Schaffen von William Castle passt und trotzdem wunderbar unterhält. Der Weg ist das Ziel und wäre hier am Ende mehr bei rumgekommen als haarsträubender Nonsens, es müsste ernsthaft über einen waschechten Genre-Klassiker diskutiert werden. Fast schon etwas schade, das die kurz aufgebauten Erwartungshaltungen dann doch nur den realistischen Standard erfüllen, diesen dafür mit der maximal machbaren Qualitätsoffensive.
Fazit
Inszenatorisch vielleicht der beste Film von William Castle und auch inhaltlich mit dem womöglich größten Potential. Auf dem Niveau vermutlich irgendwie zum Scheitern verurteilt, aber nur, wenn man von einem William Castle-Film anno 1964 mehr erwartet als kurzweiliges Entertainment. Und dies gelingt ihm auch hier mühelos. Überkonstruierter Unfug bis die Schwarte kracht, aber mit ganz viel Leidenschaft vorgetragen.
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