Alexander Payne (Sideways), den man heutzutage sicherlich vor allem durch seine vielfach Oscar-nominierten Filme Nebraska, The Descendants oder ganz aktuell dem wundervollen The Holdovers kennt, inszenierte mit Election zum Anfang seiner Karriere einen wirklich witzigen, aber auch kritischen Coming-of-Age Film, auch wenn die Kritik manchmal in der Komik untergehen kann.
In Election geht es hauptsächlich darum Entscheidungen zu treffen, um sein Leben in die gewünschte Bahn zu lenken und mit Hürden klarzukommen. Reese Witherspoon spielt eine High School Schülerin, die unglaublich ehrgeizig ist. Sie ist Journalistin für den Schulsender, spielt in der Theatergruppe und ist in verschiedenen schulischen Ämtern engagiert und möchte nun auch Schulsprecherin werden. Witherspoons Rolle erinnert in gewissen Aspekten an ihre Darstellung in Eiskalte Engel. Sie weiß mit Feinheiten in der Mimik und Stimme umzugehen, um dem Zuschauer die wahren Intentionen ihrer Figur preizugeben und sie als Hauptdarstellerin sorgt dafür, dass wir interessiert am Ball bleiben und wie McAllister an ihren Lippen hängen ;)
Die Geschichte wird die gesamte Zeit durch die Stimmen der Hauptcharaktere aus dem Off begleitet. Zum einen dienen diese Off-Stimmen dazu, einen ganz bestimmten Spannungsfaktor zu erzeugen, nämlich dass der Zuschauer durch gewisse Formulierungen direkt weiß, dass diese Wahl irgendwie ausartet und Mr. McAllister am Ende nicht mehr als Lehrer arbeiten wird. Vor allem aber dient der Off-Text dazu, die wichtigsten Charakterisierungen vorzunehmen. Tracy sagt, dass sie sich über die Konkurrenz in Form von Paul freut und dass es sie keineswegs stört, lässt den Zuschauer aber durch ihre Betonungen hinter die Fassade blicken. Oder McAllister, der darüber spricht, dass er Tracy nicht die Schuld daran gibt, dass sie eine Affäre mit seinem besten Freund Dave (Mark Harelik, Trumbo) hatte, der ebenfalls Lehrer an der Schule war und deshalb rausgeflogen ist, dann aber viele verschiedene Dinge tut, um seine Missgunst ihr gegenüber zu zeigen. Er stellt sich auf die Seite seines Freundes, obwohl dieser für den Zuschauer offensichtlich eine Schülerin verführt hat. McAllister, der sich selbst von Tracy angezogen fühlt, versucht damit seine verwerflichen Gefühle zu verschleiern und die Schuld auf jemand anderen, in diesem Fall Tracy zu schieben.
Die besten Charaktere sind aber wohl Paul und seine Schwester Tammy (Jessica Campbell, Freaks and Geeks). Paul ist nämlich nicht der klischeehafte High School Sportler. Also ja, er ist der Star Sportler seiner Schule gewesen, bevor er sich sein Bein gebrochen hat und nun in dem Job des Schulsprechers versucht, einen neuen Sinn für sich zu finden, aber er ist unglaublich nett und höflich, dauerhaft und zu jedem. Tammy ist seine, wie sie selbst behauptet Pansexuelle jüngere Schwester, die sich aber nicht ganz sicher ist ob sie vielleicht lesbisch ist, da sie bisher nur in Mädchen verliebt war. Ihr Charakter ist so spannend und unterhaltsam, weil ihre Charakterisierung am meisten Fingerspitzengefühl benötigte und wirklich toll geschrieben ist.
Diese ausführliche Charakterisierung, die durch den Off Kommentar vorgenommen wird, nimmt dem Zuschauer zwar viel Potenzial, um sich selbst Charaktermotive zu erschließen und stellt sich gegen das "Show don´t tell" Prinzip, gibt dem Film aber ein knackiges Pacing, seinen eigenen Charme und einen unfassbar hohen Unterhaltungswert. Außerdem bleibt der Film dabei größtenteils frei von typischen Genre Tropes. Der Film hebt sich vor allem durch diese durchgehenden Off Kommentare und den darin enthaltenden Sarkasmus von seinen Genre-Kollegen ab. Der Film behandelt zwar kritische Themen, wie Lehrer Schüler Beziehungen und die Frage ob man negative Gefühle an anderen auslassen sollte, oder aus ihnen lieber versuchen sollte etwas positives zu schöpfen, verpackt diese Themen aber so sarkastisch und in einem humoristischen Gewand, dass der Film leicht konsumierbar und kurzweilig ist. Auf das Dilemma der negativen Gefühle findet der Film die klare Antwort, dass man die Probleme seines eigenen, verkorksten Lebens nicht an anderen auslassen sollte, da daraus nur negatives resultieren kann, auch wenn es sich im ersten Moment vielleicht gut anfühlen mag, seine Wut rauszulassen.
Election wird klar von seinen Charakteren getragen, weshalb man ihnen auch eine ausführliche Analyse widmen sollte, hat aber auch weitere tolle Aspekte, wodurch er insgesamt so gut wird. Die Kameraarbeit des Films ist nämlich vor allem in der ersten Hälfte unfassbar kreativ und findet schöne Szenenübergänge. Die größte Qualität des Films, abgesehen von seinen einzigartigen Figuren, liegt aber im Schnitt. Was Kevin Tent (Durchgeknallt) hier abliefert, ist ganz große Schnittkunst. Wenn man sieht, welchen Rhytmus er erzeugt, wird klar, warum er Alexander Payne, sein hauseigener Cutter, ist. Sein Schnitt in Election sorgt fast im Alleingang für das großartige Pacing, den Unterhaltungsfaktor und die makellose Struktur des Films. Beispielsweise, wenn ein eigentlich unscheinbares Gespräch nur durch eine hervorgegangene Szene für den Zuschauer unglaublich unangenehm wird, fällt diese großartige Struktur auf. Der erinzige Wehrmutstropfen ist, dass der Film sich im letzten Drittel etwas verläuft und dadurch insgesamt ungefähr 10 Minuten zu lang ist.
Zu Payne seinen Filmen allgemein kann man wohl das Fazit ziehen, dass sie fast immer sehr gut, unterhaltsam und in klassischerweise schön und versönlich sind, ihnen aber immer eine Kleinigkeit fehlt um absolute Meisterwerke zu sein.