Inhalt
Der Theater-Schauspieler Martin wird wegen der Affäre mit einem 15jährigen zu 2 ½ Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis lernt er Thomas kennen, den 16jährigen Sohn eines Wärters. Die beiden verlieben sich und wollen nach Martin’s Entlassung ein gemeinsames Leben beginnen. Doch Thomas' Vater sorgt dafür, dass sein Sohn wegen „moralischer Verwahrlosung“ in eine Erziehungsanstalt gesteckt wird.
Kritik
Bevor ihm mit Das Boot der internationale Durchbruch gelang und er sich zum deutschen Exortschlager in Hollywood mauserte, sorgte Wolfgang Petersen im Jahr 1977 hierzulande gleich zwei Mal für Aufsehen und beinah für zwei kleine Skandale. Zum einen durch seinen legendären Tatort: Reifezeugnis, in dem die damals noch minderjährige Nastassja Kinski (Tess) ungewöhnlich viel nackte Haut zeigte, und zum anderen durch diese Adaption des autobiographisch inspirierten, gleichnamigen Romans des Schweizers Alexander Ziegler. Dieser wurde, wie seine beiden Protagonisten, als Jugendlicher zunächst in eine Erziehungsanstalt gesteckt und als Erwachsener wegen der homosexuellen Beziehung zu einem Minderjährigen sogar zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Aufgrund seines seinerzeit doch sehr offenherzigen und brisanten Inhalts boykottierte der Bayrische Rundfunk den von der ARD produzierten Film bei der Erstausstrahlung. Dennoch bekam er Ende des Jahres sogar noch eine Kinoauswertung spendiert und wurde im Folgejahr u.a. mit dem Adolf-Grimme-Preis in Bronze und dem Deutschen Kritikerpreis ausgezeichnet.
Die Konsequenz verteilt zwei prägende Abschnitte im Leben von Alexander Ziegler auf zwei fiktive Figuren. Zum einen die des Schauspielers Martin (Jürgen Prochnow, Leanders letzte Reise), der wegen Unzucht mit einem 15jährigen zu 2 ½ Jahren Gefängnis verurteilt wird. In einer Szene merkt Martin an, dass er vermutlich nicht hier wäre, wenn es sich um die einvernehmliche Beziehung mit einem Mädchen gehandelt hätte. Er also nicht wegen der dem sexuellen Kontakt mit einer minderjährigen Person, sondern in erster Linie wegen seiner Homosexualität eingesperrt wurde. Bei einer Theateraufführung hinter Gittern lernt er Thomas (Ernst Hannawald, Dampfnudelblues), den 16jähringen Sohn eines Gefängniswärters, kennen. Dieser buhlt sehr direkt um die Zuneigung von Martin und lässt sich eines Nachts sogar heimlich in dessen Zelle einschließen. Die beiden verlieben sich und selbst als ihre Affäre ans Licht kommt, lassen sie sich nicht von ihrer Umwelt einschüchtern. Bis Thomas' entsetzter Vater dafür sorgt, dass sein Sohn aufgrund der Beziehung in eine Besserungsanstalt für Jugendliche (wie einst Ziegler selbst) eingewiesen wird. Dort erlebt der sensible Junge seine persönliche Hölle auf Erden, wird von seinen Leidensgenossen und ganz besonders seinem sadistischen Aufseher aufgrund seiner Sexualität drangsaliert und versucht „umerzogen“ zu werden.
Mit Die Konsequenz holten Erfolgsproduzent Bernd Eichinger und Regisseur Wolfgang Petersen, der gemeinsam mit Alexander Ziegler auch das Drehbuch verfasste, das in den 70ern immer noch stark tabuisierte Thema Homosexualität raus aus der verruchten Nische und brachten es zur besten Sendezeit bundesweit (bis auf Bayern eben) in die deutschen Wohnzimmer. Natürlich wurde damit ein gewisses Aufschrei-Potential bewusst gewünscht und einkalkuliert, in der dargestellten Art und Weise lässt sich dem Film jedoch unmöglich der Vorwurf machen, er würde seine Thematik ausbeuten, sie verramschen und damit nur Werbung in eigener Sache zu betreiben. Eine Liebe unter Männern wird hier nicht als exotische, widernatürliche Kuriosität verkauft, sondern als ganz normal, zärtlich und berührend. Gleichzeitig werden die Rahmenbedingungen in all ihrer ungerechten und diskriminierenden Tragweite schonungslos einem Publikum präsentiert, das sich womöglich nie näher mit der selbstverständlichen Dämonisierung und Verleumdung einer homosexuellen Identität beschäftigt hat. Generell werden auch autoritäre, entmündigende und Grausamkeiten legitimierende Strukturen in allen Bereichen angeprangert. Dies geschieht trotz seiner Deutlichkeit ohne den (übertriebenen) Griff in die Klischeekiste und erzeugt Empathie und Entsetzen an den richtigen Stellen, um vielleicht wirklich den ein oder anderen zum Nachdenken zu bewegen. Großen Anteil haben daran auch die beiden fantastischen Hauptdarsteller und die wunderbaren Schwarz-Weiß-Bilder von Jörg-Michael Baldenius, die sich mühelos auf internationalem Spitzenniveau bewegen.
Fazit
Ein Film, der selbst im Jahr 2022 nicht nur wichtig, sondern immer noch mutig wirkt, obwohl wir uns inzwischen in wesentlich toleranteren und aufgeklärteren Zeiten befinden. Kaum auszudenken, wie bedeutend er zu seinem Entstehungszeitraum war. Trotz millionenschwerer Hollywood-Blockbuster eine der besten Arbeiten von Wolfgang Petersen, bei dem die wesentlichen Dinge des Kinos noch im Vordergrund stehen und nicht nur das Spektakel.
Autor: Jacko Kunze