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Quelle: themoviedb.org

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Inhalt

Eine Dinnerparty mündet in einer bizarren Situation: aus völlig unerklärlichen Gründen gelingt es keinem der Gäste, das Zimmer zu verlassen und im Gegenzug auch niemanden von außen, das Anwesen zu betreten. Die Lage droht zu eskalieren…

Kritik

Das Ehepaar Nobile hat zu einem piekfeinen Empfang geladen und gut ein Dutzend der besonders Reichen, Schönen und Wichtigen sind dem Aufruf gefolgt. An der prunkvollen Tafel wird erlesen aufgetischt und es wird sich über allerlei irrelevanten Blödsinn unterhalten, hauptsächlich wird unter vorgehaltener Hand übereinander hergezogen. Als die Hausherrin bemerkt, dass bis auf den Butler alle Angestellten aus mal mehr, mal weniger triftigen Gründen beinah fluchtartig das Anwesen verlassen, droht die Stimmung noch nicht zwangsläufig zu kippen, ausgelassen geht es dennoch zu. Es scheint mehr ein ärgerliches Detail zu sein, über das sich aber niemand den Kopf zerbricht. Anfänglich nur eine fast unbemerkte Fußnote eines Abends, der danach eine mehr als sonderbare Wendung nehmen wird. Denn als es eigentlich Zeit wäre zu gehen, verlässt keine der geladenen Personen die Veranstaltung. Noch nicht mal das Zimmer. Zunächst scheint es – ähnlich wie bei der gegensätzlichen „Flucht“ des Personals – überhaupt keine Dringlichkeit dafür zu geben, es ergibt sich einfach bzw. eben nicht. Mündend in der schon jetzt bizarren Situation, das alle dort nächtigen, nicht mal standesgemäß, sondern teilweise auf dem Fußboden. Spätestens am nächsten Morgen wird allen langsam gewahr, dass hier irgendetwas hier nicht stimmen kann, denn selbst mit der klaren Absicht endlich zu gehen, gelingt es niemanden aus empirisch nicht nachvollziehbaren Gründen, auch nur die Schwelle des Saals zu überschreiten. Und als die Lage außerhalb publik wird ebenso niemanden, die Villa zu betreten.

Dekadenz & Heuchlerei; Missgunst, Hedonismus & Hochmut, all das geschieht – zumindest Letzteres - sprichwörtlich meistens vor dem Fall, doch stattdessen streicht Luis Buñuel (Ein andalusischer Hund) diesen Prozess komplett und lässt seine luxuriöse Partygesellschaft unvermittelt, ohne Netz und doppelten Boden aufprallen. In ein surreales Szenario, das sich bis ins Unendliche deuten lassen könnte und genau damit spielt der spanische Ausnahme-Filmemacher mit einem offensichtlichen Hochgenuss. Laut eigener Aussage soll seine entlarvend-gallige Groteske gar keine symbolische Ebene enthalten und schlicht als absurdes Gedankenspiel verstanden und genossen werden. Allein in diesem (kalkulierten?) Understatement wird schon die Brillanz des gesamten Konstrukts deutlich: es kann alles, viel, etwas oder eben auch nichts sein. Ohne jeden Zweifel praktiziert Buñuel das, was er auch davor und danach immer wieder mit einer erstaunlichen Selbstverständlich- und Leichtigkeit tat, nämlich eine eigentlich völlig banale Alltagssituation zu verwenden, um aus ihr ein skurriles wie von seinem Subtext hintergründig cleveres Szenario zu kreieren, dass sich einfach nicht vollumfänglich festnageln lassen möchte.

Nachdem allgemeinen Leugnen und Ignorieren des Offensichtlichen – egal, wie eindeutig es sein mag -, beginnt das große Selbstzerfleischen. Wenn einen Status, Stellung und Selbstwahrnehmung nicht mehr schützen und man sich nicht mehr hinter der Oberflächlichkeit der eigenen Selbstverliebtheit verstecken kann, wird es hässlich, primitiv und auf einmal wirklich existenziell – selbst in einer Situation, die dafür komplett irreal erscheint. Hätte Luis Buñuel diesen Film 50 Jahre später gedreht, man würde ihn als brillante Satire auf ganz aktuelles Pseudo-Promi-Trash-TV feiern. Vielleicht in dem Kontext sogar nur als zeitgemäß-offensichtlich betrachten. Aber davon war man hier noch weit entfernt und jedweder Gedanke an so etwas wäre ähnlich absurd wie das hier Zelebrierte. Kritik an gesellschaftlichen verschrobenen Strukturen, selbstgefälligem Bewusstsein und selbst der christlich praktizierten Religion (in Zeiten, in denen das schon wagemutig genug war) wird schelmisch wie angriffslustig verpackt in ein Lust- und Kammerspiel, von dem ähnlich gelagerte Versuche (Grüße gehen u.a. raus an Sönke Wortmann, Eingeschlossene Gesellschaft) mehr als ein halbes Jahrhundert später erschreckend plump entfernt sind, obwohl sie es einem immer wieder mit dem Holzhammer einprügeln. Und eigentlich nur die amüsieren, die man angeblich demaskieren möchte.

Fazit

8.0

Ein ganz wunderbares Beispiel für das Kino von Luis Buñuel: eigensinnig, hintergründig, surreal, aber niemals selbstverliebt oder übertrieben prätentiös, obwohl man es ihm gerne andichten mag. Letzteres liegt wohl eher am Anspruchsdenken der Rezipierenden, die Buñuel geschickt einwickelt: alles wäre denkbar, aber nur Weniges bis Nichts ist in Stein gemeißelt. Allein das Schaffen einer großartigen Ausgangslage und das bewusste Spiel mit der damit einhergehenden Diskussionsgrundlage ist ein voller Erfolg auf allen Ebenen.

Kritik: Jacko Kunze

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