„Diese Tür ist ein Spiegel und dahinter ist das Wunderland!“
Ein wahrlich eigenwilliges Exemplar, dieser Der lange Tod des Stuntmans Cameron, der sich jedweden Schubladendenkens verweigert und trotzdem beinah die wichtigsten Preise bei den wohl konservativsten und gleichzeitig prominentesten Filmpreisverleihungen der Welt ergattert hätte. 1981 für 5 Golden Globes und 3 Oscars nominiert ging der große Außenseiter in den Königskategorien Regie (Richard Rush, der 14 Jahre später nur noch die Gurke Color of Night drehte), Hauptdarsteller (der ewige Nicht-Gewinner Peter O’Toole, Lawrence von Arabien) und adaptiertes Drehbuch (Rush & Lawrence B. Marcus, Zeugin der Anklage) gegen übermächtigen Konkurrenten wie Robert Redford’s Eine ganz normale Familie (Regie & Drehbuch) und Robert De Niro für seine Jahrhundertperformance in Wie ein wilder Stier erwartungsgemäß leer aus, dass er danach aber praktisch in der Versenkung verschwand ist der Niederlage allerdings wesentlich zu viel. Wahrscheinlich konnten einfach zu wenige Zuschauer etwas mit dieser ungewöhnlichen, in gewisser Weise auch kruden, dennoch scharfzüngigen und kreativen Kuriosität anfangen, die es deshalb auch heute noch schwer haben wird sein Publikum zu finden.
„Unser Problem ist so simpel, das es fast unter unserer Würde ist.“
Das Problem von Cameron (Steve Railsback, Insel der Verdammten) ist simpel, aber alles andere als eine Kleinigkeit: Ihm ist die Polizei auf den Fersen. Das Problem von Eli Cross (Peter O’Toole) ist weder das eine, noch das andere, aber von solchen Kinkerlitzchen will sich der selbsternannte Starregisseur nicht sein gigantisches WW1-Kriegsepos zerstören lassen: Sein Stuntman ist beim Dreh ersoffen, da kommt ihm der dahergelaufene Cameron gerade richtig. Frisch blondiert und dankbar für den unverhofften Schutz schlüpft der Vietnam-Veteran ohne großes Training in die Rolle des Crash-Test-Dummies, denn bei einem Eli Cross-Dreh ist waghalsig noch untertrieben. In dem Wissen, das der unerfahrene und naive Draufgänger sich für keinen Beinah-Selbstmord zu schade ist und sich mit ein paar hundert Dollar Gefahrenzulage vorkommt wie ein gemachter Mann, dreht Eli die Risiko-Schraube immer weiter an. Bald ufert sein ursprünglich als ernstes und ergreifendes Kriegsdrama ausgelegtes Projekt komplett aus, das irrsinnige Spektakel kennt keine Grenzen von Vernunft mehr, der Respekt vor Leben und Tod schwindet im Angesicht des gottesgleichen Größenwahns. Als Cameron langsam dämmert, das sein neuer Arbeitgeber und Beschützer für „sein Meisterwerk“ eventuell auch über Leichen gehen würde, ist es fast schon zu spät.
Weder richtig Genre- noch Kunstfilm und erst recht kein Popcorn-Blockbuster ist Der lange Tod des Stuntmans Cameron vielleicht noch am ehesten umschrieben mit Arthouse-Exploitation, obwohl auch das kaum zutreffend ist. Eine griffige, bizarre, absurde und enorm angriffslustige Satire, die von großer Faszination und Liebe für das Wolkenkuckucksheim namens Film-Industrie zeugt, gleichzeitig auch eine gewisse Abscheu vor seinem pervertierten und selbstgerechten Irrsinn offenbart. Mit großer Wonne zelebriert Peter O’Toole die Rolle eines Sonnengott-gleichen Exzentrikers, der sich über sein Volk erhebt, über ihm schwebt, um es mit seiner Genialität zu penetrieren („Wir brauchen unbedingt diese Sequenz! Deswegen befehle ich, dass keine Kamera blockiert und keine Wolke vor die Sonne zieht!“). Um ihn herum arrangiert Richard Rush ein verwinkeltes, experimentierfreudiges und gewollt kontroverses Meta-Verwirrspielchen, das tiefe, clevere Einblicke gewährt, mit der Perspektive, Erwartungshaltung und Wahrnehmung sowohl des Zuschauers wie seines Protagonisten spielt und dafür stellenweise ein ähnliches Stunt-Spektakel abbrennt, wie das was er pechschwarz parodiert. Lug und Trug, Schein und Sein, Genialität und Geisteskrankheit, alles liegt so dicht beieinander: Willkommen in Hollywood.
-„Wie groß ist King Kong?“
-„1 Meter 10.“