Inhalt
Ein Krokodil von ungewöhnlichen Ausmaßen sorgt dafür, dass es in einer amerikanischen Großstadt noch unsicherer wird, als es ohnehin schon der Fall ist.
Kritik
Jeder halbwegs vernünftige Mensch sollte wissen, dass man ein Lebewesen nicht die Toilette hinunterspült. Ganz egal, wie überdrüssig es einem geworden sein mag. Trotzdem kommen derartige Grausamkeiten immer wieder vor. So auch im Falle des aus dem Jahr 1980 stammenden Films Alligator, der im deutschsprachigen Raum auf den deutlich reißerischeren Titel Der Horror-Alligator umgetauft wurde. Dabei handelt es sich um eine der ersten Regiearbeiten von Lewis Teague, der in den Folgejahren noch Werke wie den abenteuerlichen The Jewel of the Nile oder die Stephen King-Adaptionen Cujo sowie Cat's Eye drehen sollte. Aber werfen wir doch nun zunächst einmal einen genaueren Blick auf den Plot.
Nachdem ein Familienvater den unliebsamen Baby-Alligator seiner Tochter endgültig satthat, wirft er ihn kurzerhand in die Kloschüssel und betätigt die Spülung. 12 Jahre später verfangen sich wiederholt Leichenteile in den Filteranlagen der städtischen Kanalisation, was Detektiv David Madison (Robert Forster, Jackie Brown) auf den Plan ruft. Als dieser im Zuge seiner Untersuchungen auf einen überdimensionierten Alligator stößt, wollen ihm zunächst weder sein Chef (Michael V. Gazzo, Fear City) noch die Reptilienexpertin Marisa Kendall (Robin Riker, Stepmonster) Glauben schenken. Insbesondere da das Vieh seiner Aussage nach Ausmaße von über 10 Metern aufweisen soll. Erst als unwiderlegbare Beweise für die Existenz des Tieres auftauchen, ändert sich das. Dies hat unter anderem zur Folge, dass ein renommierter Großwildjäger (Henry Silva, Der Berserker) angeheuert wird, um das gefräßige Biest zur Strecke zu bringen.
Teagues Alligator schwimmt nicht nur mehr als deutlich auf der von Jaws losgetretenen Tierhorrorwelle, sondern weist (u. a. im Hinblick auf den im Vergleich zu seinen Artgenossen übergroßen Antagonisten oder die bei Angriffen im Wasser angespielte Melodie) einige klare Parallelen zu Steven Spielbergs genreprägendem Haihorror auf. Im Gegensatz zum Hai aus Jaws vermag es der animalische Gegenspieler aus Alligator jedoch, ein gewisses Maß an Sympathie für sich zu verbuchen. Schließlich kann die Panzerechse nichts für ihr Schicksal. Sie hat sich weder selbst das Klo hinuntergespült noch aktiv dafür entschieden, in einem derart ungeeigneten Lebensraum aufzuwachsen. Im Verlauf erfahren wir zudem, wieso das Tier so groß geworden ist. Und so viel sei schon mal verraten, auch hierbei hat der Mensch seine Finger im Spiel, wodurch eine weitere Ebene von „don’t-treat-animals-like-this“ eröffnet wird.
Von den menschlichen Charakteren weiß vor allem Robert Forsters Figur zu gefallen. Weit weg von einem klassischen Vorzeigehelden ist Detective Madison, ähnlich wie Sheriff Brody in Jaws, ein eher unscheinbarer Typ. Einer, mit dem seit dem Tod seines Partners kein Kollege mehr zusammenarbeiten will, der schon mal mit löchrigem Shirt herumläuft, leicht abgehalftert wirkt und dessen lichter werdendes Haar mehr als nur einmal thematisiert wird. Forsters Schauspiel weiß dabei genauso zu überzeugen wie jenes seiner SchauspielkollegInnen. Was das Erzähltempo angeht, so weist Alligator zwar „nur“ eine moderate Geschwindigkeit auf, dafür sind dem Film Leerlauf oder zähe Passagen erfreulich fremd. Selbst das obligatorische Liebesgeplänkel zwischen Madison und Reptilienexpertin Marisa fällt nicht weiter negativ ins Gewicht. Ebenfalls für gute Laune sorgen sowohl die amüsanten Dialoge, die (ähnlich wie später bei Lake Placid) zahlreich über den ansonsten thematisch eher ernsten Film verteilt sind, als auch dessen technische Umsetzung.
Wann immer es möglich war, setzte Teague auf den Einsatz eines echten Tieres. Ging dies nicht, so arbeitete man mit einem großen mechanischen Modell. In diesen Fällen war Teague weise genug, schnelle Schnitte oder vorteilhafte Kameraeinstellungen zu verwenden, um die Künstlichkeit der Attrappe bestmöglich zu kaschieren und die Szenen dadurch so real wie möglich wirken zu lassen. Zugegeben, manche Sequenzen (wie das Durchbrechen des Asphalts oder wenn ein echter Alligator durch eine Miniaturkulisse stapft) wirken nur bedingt überzeugend, aber für einen Film, der gerade einmal läppische 1.5 Millionen USD gekostet hat, geht das noch absolut in Ordnung. Insbesondere, da sich das hungrige Reptil über die knapp 90-minütige Laufzeit hinweg richtig schön satt fressen darf. Allzu explizit geht es dabei zwar nie zu, über das ein oder andere abgetrennte Körperteil darf man sich allerdings dennoch freuen und selbst Kinder sind vor dem hiesigen Raubtier nicht sicher. Neben Lake Placid, Rogue und vielleicht noch Crawl einer der wohl gelungensten Kroko/Alligator-Horrorfilme überhaupt.
Fazit
„Alligator“ ist ein wenig Malen nach Zahlen, was eventuell negativer klingt, als es tatsächlich gemeint ist. So erzählt das von Lewis Teague inszenierte Werk zwar einerseits nichts wirklich Neues, liefert sich andererseits aber auch keine nennenswerten Patzer. Und wenn man bedenkt, wie oft Tierhorrorfilme kläglich versagen, dann ist das schon fast etwas Besonderes. An die Klasse seines offensichtlichen Vorbilds „Jaws“ kommt „Alligator“ damit selbstverständlich nicht heran. Dafür ist er einer der unterhaltsamsten Kroko-Horrorfilme überhaupt, dem durchaus ein kritischer Blick auf den menschlichen Umgang mit Tieren attestiert werden kann.
Autor: Constantin Wieckhorst