Egal wie man zum ersten Deadpool steht, der Marketingabteilung gebührt großer Applaus und dieser Beifall sollte auch beim Nachfolger nicht verhallen. Wie der Merc with a Mouth mit amüsanten Promos, kreativen Postern und mehr vom Nischenheld des Marvel Verlags zum rebellischen Aushängeschild des cineastischen Superhelden-Hypes aufgebaut wurde ist beachtlich – auch weil die Werbung perfekt den Tonus der Filme widerspiegelt, was keine Selbstverständlichkeit ist. Das gilt auch für Deadpool 2, der es sich aus wirtschaftlicher Sicht auf die Fahne geschrieben hat, den immensen Erfolg des Vorgängers zu übertrumpfen.
Damit das gelingt, hat 20th Century Fox keine wirklichen Experimente zugelassen. Deadpool 2 folgt der Erfolgsformel der Erstlings, radiert dabei aber auch einige Schwachpunkte aus. Da Teil eins sich als klassische Origin-Story verstand, gab es dort z.B. den Titelhelden nicht so oft zu sehen, wie erhofft. Beim Sequel wurde seine Screentime deutlich nach oben geschraubt. Ebenfalls verbessert wurden die Settings, denn sein wir ehrlich, gefühlt spielte Deadpool die meiste Zeit entweder in einem Apartment oder auf einem Freeway.
Ansonsten bleibt die Fortsetzung stilistisch seinem Vorgänger treu, auch wenn Regisseur Tim Miller (Terminator) das Projekt frühzeitig verließ und seinen Posten David Leitch übernahm. Dieser machte sich mit John Wick einen Namen als Regisseur, der es großartig versteht Action zu inszenieren. Selbst sein insgesamt eher enttäuschender Spionage-Thriller Atomic Blonde war darin ein echtes Ass. Dass Fox ihn also Deadpool 2 anvertraute ließ hoffen, dass sich das Sequel in dieser Hinsicht steigert. Diese Zuversicht wird leider nicht erfüllt. Keine Frage, die Actionszene die der Film auffährt sind spektakulär, sind technisch sauber gefilmt und nutzen das R-Rating zur Genüge aus, aber es fehlt ihnen einfach diese viszerale, kinetische Energie, die Leitch bei seinen früheren Werken so wunderbar zelebriert hat. Noch einmal, um das zu unterstreichen: Die Actionszenen in Deadpool 2 sind gut, aber mit diesem Filmemacher auf dem Regiestuhl wäre dennoch deutlich mehr drin gewesen.
Aber natürlich sind die größten Erwartungen am Film an die Hauptfigur gekoppelt und es lässt sich ohne Umschweife feststellen, dass jeder Fan des ersten Teils auch mit dem Nachfolger glücklich werden wird. Der Titelheld, erneut leidenschaftlich von Ryan Reynolds (Safe House - Niemand ist sicher) verkörpert, bleibt seiner Agenda treu. Fast nichts ist ihm heilig, die vierte Wand wird öfters durchbrochen wie bei House of Cards, Konkurrenten wie Kollegen werde verballhornt und mit Ethik weiß er gar nichts anzufangen. Ja, Deadpool bleibt Deadpool.
Wirklich neue Zielscheiben für seinen Spott hat sich der Merc with a Mouth für seinen zweiten Kinofilm aber nicht ausgesucht und meistens ist der Humor zwar frech, aber nie wirklich bissig. Kitzeln, nicht beißen ist die Devise, die der Film brav und ohne Murren befolgt. Das ist bedauerlich, immerhin bietet alleine das Marvel Cinematic Universe genügend Angriffsfläche um Deadpools Häme großzügig anzuziehen. Angeblich sollte es wohl durchaus einige unartige Zoten gegen das MCU-System geben, diese wurden aber wohl gestrichen, immerhin möchte Fox ja demnächst vom Mickey-Mouse-Imperium gekauft werden. So bleibt es halt bei ein paar erwartbaren Thanos-Jokes, immerhin spielt der Avengers: Infinity War-Schurken-Darsteller Josh Brolin hier den von Fans herbeigesehnten Cable.
Cable, der bereits in einem Stinger (gemeint ist die Szene nach dem Abspann) beim ersten Teil angekündigt wurde, wird von Brolin einsilbig, bärig und durchschlagend verkörpert. Im Gegensatz zum geschwätzigen Deadpool bietet diese Figur einen wohligen Kontrast, auch wenn es einige Zeit dauert, bis der Film Cable richtig in die Handlung integriert. Er ist auch nicht der Showstealer, den sich wohl viele erhofft hatten. Nach seiner Thanos-Darbietung hinterlässt Brolin aber auch in diesem Superhelden-Film einen bleibenden, positiven Eindruck.
Dass es etwas dauert, bis Cable in Deadpool 2 in Erscheinung tritt und wirklich etwas zu tun bekommt, liegt übrigens vornehmlich daran, dass das Sequel selbst erst spät erzählerisch wirklich in Bewegung kommt. Der Beginn bietet zwar einen durchaus dramatischen und unerwarteten Einstieg, der sorgt aber zeitgleich auch dafür, dass die Fortsetzung erst viel zu spät in Schwung kommt. Es gibt immer wieder Momente, in denen Fahrt aufgenommen wird, jedoch drückt das Drehbuch, bei dem diesmal neben den Zombieland-Autoren Rhett Reese und Paul Wernick auch am Reynolds mitarbeitete, meist dann auf die Bremse, wenn es endlich so scheint, dass der Film richtig ins Rollen kommt. Erst im letzten Akt wird das Gaspedal durchgängig und ordentlich durchgedrückt und die verschiedenen Versatzstücke der Story fügen sich zusammen, ohne dabei jedoch für großes Aufsehen zu sorgen.
Dann schlägt endlich auch die Stunde einer weiteren, neuen Figur. Gemeint ist Domino (Zazie Beetz, Geostorm), eine Mutantin der das Glück treu zur Seite steht, was neben einigen netten Gags auch eine der besten Kampfszenen zu Folge hat, in der der schwarze Humor genau so häufig spritzt, wie das Blut der Gegner. Gegen Cable und Domino fallen übrigens bekannte Nebencharaktere wie Collusus (Stefan Kapičić, Counterpart) und Negasonic Teenage Warhead (Brianna Hildebrand, Tragedy Girls) deutlich ab und spielen höchstens noch die vierte Geige. Dafür bietet Deadpool 2 aber den einen oder anderen grandiosen Cameo.
Es mag sein, dass das Alles recht ablehnend und negativ klingt, aber trotz Schwächen macht auch das Sequel Spaß. Konnte Teil eins die Erwartungen, geschürt von Versprechungen des Marketings, nicht ganz erfüllen, scheitert die Fortsetzung nun erneut an dieser Hürde. Das bedeutet aber nicht, dass der Actionfilm Frustration auslöst. Es ist ein gut gemachtes Referenzfest inklusive ständigem Meta-Kommentar und allerlei frechen Sticheleien. Ein Werk, dass einem vermittelt, man wäre ein besserer Mensch, weil man diese oder jene Anspielung verstanden hat. Deadpool 2 ist reiner Fan-Service und vernachlässigt dadurch einige große Möglichkeiten, sich wirklich von der breiten Masse abzuheben.
So ist der Film, wenn man seine Patina aus Witzeleien und galligem Unfug wegwischt, dann doch nur ein ziemlich konventionelles Sequel, welches sich auf die Fahne geschrieben hat, ein Familienfilm zu sein. Ein Ziel, welches Deadpool 2 durchaus erreicht, auch wenn er den Weg oft genug lahmend und mit unnötigen Pausen beschreitet und vielleicht hier und da sich zu oft damit begnügt seinen Vorgänger zu rezitieren.