Nachdem Martin Scorsese 1974 Jodie Foster für eine Nebenrolle in seinem Drama Alice lebt hier nicht mehr besetzte, ging deren Karriere bereits in jungen Jahren steil bergauf. Den großen Durchbruch erlebte sie zwei Jahre später, als jener Regisseur ihr den äußerst umstrittenen Part einer minderjährigen Prostituierten in seinem Meisterwerk Taxi Driver überließ. Umstritten, da Foster zum damaligen Zeitpunkt gerade einmal 13 Jahre alt war, was aber eben auch dem Alter ihrer Figur entsprach. Dies sah auch Laird Koenig, der gerade an einem Drehbuch zu seinem eigenen Roman The Little Girl Who Lives Down The Lane arbeitete. Ursprünglich hatte Koenig ein Theaterstück geplant, sah es aber als unrealistisch an, dass eine so junge Hauptdarstellerin damit Abend für Abend auf der Bühne stehen könnte. Dementsprechend wurde es erst ein Roman und nun eine Leinwandadaption, für die er und Regisseur Nicolas Gessner (Der Mörder hinter der Tür) den aufstrebenden Kinderstar als ungeahnten Glücksgriff betrachteten.
Jodie Foster spielt hier die (wie sie) 13jährige Rynn Jacobs, die vor einigen Monaten gemeinsam mit ihrem Vater, einem erfolgreichen Dichter, von England in ein kleines Städtchen an der amerikanischen Ostküste gezogen ist. Wir begegnen ihr zuerst am Halloween-Abend, als sie sich selbst einen Geburtstagskuchen serviert. Vom Vater weit und breit keine Spur und statt kostümierter Kinder steht plötzlich ein ganz unangenehmer Zeitgenosse nicht nur vor der Tür, sondern ungebetener Weise ganz schnell im Wohnzimmer. Es handelt sich um Frank Hallet (Martin Sheen, Apocalypse Now), den Sohn der Vermieterin. Nachdem ihm die sichtlich ablehnend gegenüberstehende Rynn mehrfach versichert hat, dass ihr Vater jetzt nicht zu sprechen ist und auch nicht gestört werden darf, beginnt Frank ekelhafte Annährungsversuche, die das taffe Mädchen aber gekonnt abzuweisen vermag. Für den Moment kann sie die Situation bereinigen, doch eines ist jetzt schon sowohl dem zudringlichen Frank wie dem Publikum klar: irgendwas ist faul im Hause Jacobs.
Es fällt nicht ganz leicht, sich detailliert über Das Mädchen am Ende der Straße zu äußern, ohne dabei entscheidende Plotinhalte zu spoilern, was an dieser Stelle natürlich nicht geschehen wird. Was unübersehbar ist, dass Laird Koenig ursprünglich eine Bühnenadaption vorschwebte (die 1997 tatsächlich noch realisiert wurde), da sich das Geschehen überwiegend im Haus bzw. dem Wohnzimmer der Jacobs‘ abspielt und für den Kern der Geschichte eigentlich nur eine Handvoll Figuren benötigt wird. Diese entwickelt von Anfang an einen beinah sonderbaren Suspense-Charakter, da die Zuschauer*innen einerseits schnell wissen bzw. erahnen sollen, dass Rynn hier ein wackeliges Konstrukt aus Lügen und spontanen Ausreden auf die ungebetenen Besucher abfeuert, aber nie genau, was konkret vor sich geht. Dies erschließt sich nicht erst im Finale, darauf ist das sehr klug konzipierte Drehbuch auch gar nicht aus. Die Wahrheit, sie wird einem verhältnismäßig schnell offenbart, allerdings nur unter dem Aspekt, dass hier eine Art Whodunnit oder Twist im Fokus stehen würde. Es wird kein großes Geheimnis langsam aufgebaut, sondern man wird sofort mit einer rätselhaften Situation konfrontiert, die sich ab dann schneller als gedacht aufklärt. Nur, um dahinter einen viel interessanteren Gedanken zu verfolgen.
Das Mädchen am Ende der Straße kann mehr oder weniger als düsterer Coming-of-Age-Film der besonderen Art bezeichnet werden, der bewusst sehr kontroverse Inhalte nicht nur anschneidet, sondern sehr explizit konkretisiert. Das sorgte vor allem in den prüden USA für einiges an Diskussionspotential und speziell eine für die Handlung eigentlich völlig unbedeutenden Szene ist mit Kenntnis der Hintergrundgeschichte auch heute noch sehr fragwürdig. Die Produzenten wollten unbedingt eine Nacktszene von Foster – die damals halt erst 13 Jahre alt war. Der gewollte Effekt war schlicht, um noch mehr zu provozieren, angesichts der pädophilen Aspekte des Plots ist dies aber nun wirklich an der Grenze zum Geschmacklosen. Gelöst wurde dieses „Problem“ dadurch, dass Foster’s 20jährige Schwester als Bodydouble einsprang. Das braucht kein Mensch. Ansonsten bekommt man hier einen ungewöhnlichen, sogar außergewöhnlichen Film geboten, der ein schwieriges Thema mit einer unglaublich abgeklärten Selbstverständlichkeit behandelt. Leicht hätte die Idee als plumper Genre-Streifen verheizt werden können, doch von reinem Genre-Kino ist dieser Film – trotz der damals natürlich darauf bedachten Vermarktung von American International – weit entfernt.