Die Entstehungsgeschichte von “Coffee and Cigarettes” von Jim Jarmusch ("Dead Man") könnte sympathischer kaum sein: Die 11 Episoden des Films entstanden in einer Zeitspanne von circa 17 Jahren (wobei die meisten Episoden aus den 2000ern stammen) und wurden teilweise als Kurzfilme oder Sketche auf Festivals und Fernsehsendern aufgeführt, um 2003 von Jarmusch zu einem episodisch geteilten Ganzen zusammengefasst zu werden. Orte und Darsteller der filmischen Einzelteile stammen daher auch alle aus dem näherem Umfeld des Regisseurs und waren teils Ergebnis eines spontanen “Lass uns doch mal eben”-Impulses. Von außen betrachtet stellt “Coffee and Cigarettes” so fast ein Paradebeispiel des leidenschaftlichen und spontanen Filmemachens dar, ein durch und durch charmantes, visuell sehr ästhetisches Konzept, welches als inhaltliches Gesamtprodukt aber nicht so funktionieren mag, wie man es sich wünscht.
Schon in der zweiten Episode fragt Darsteller Cinqué Lee ("Oldboy") den geschwätzigen und faulen Restaurantkellner (Steve Buscemi – "Reservoir Dogs") “Where is the Punchline?”, während Taylor Mead ("The Cockettes") in der letzten Episode “Champagne” sein Gegenüber William Rice ("Stray Dogs") verwirrt fragt: “Where are we?” Zwei zentrale Gefühlsregungen von “Coffee and Cigarettes”, die auch den Zuschauer über den Großteil der Laufzeit immer wieder beschäftigen. Ja, was genau soll das hier überhaupt? Wo genau befinden wir uns? Was ist der Wert, den ich als Zuschauer aus diesen Episoden ziehen kann? Die Antwort bleibt aus.
“Coffee and Cigarettes” zeichnet sich schnell als Film aus, in dem das Ungesagte wichtiger scheint, als das, über was die Figuren sich letztlich zu unterhalten wagen. Den Spannungszustand zwischen den Charakteren, den Jarmusch zu seinem Hauptmotiv des Films erklärt sowie die (teilweise) nicht artikulierte, aber implizierte Kriegsführung (symbolisiert durch das immer wiederkehrende Schachmotiv der Sets und Kaffeetische) funktionieren dabei mal ausgezeichnet, mal überhaupt nicht. So versichert Isaacht seinem langjährigen Kumpel Alex in “No Problem” immer wieder, dass nach all den Jahren, in denen sich beide nicht sahen, doch immer noch alles in Ordnung sei, während offenkundig nicht alles in Ordnung ist, Jack erklärt Meg in “Jack shows Meg his Tesla Coil” die Benutzung seiner selbstgebauten Teslaspule, nachdem Meg erst aufgrund einer peinlichen Stille Interesse an seinem Gerät vorzutäuschen scheint und die Cousinen Shelly und Cate Blanchett ("Blue Jasmine") werfen sich in “Cousins” immer wieder unterschwellig die Lebensweise des anderen vor.
Wie Jarmusch diese Inhalte und Konversationen dabei verpackt deckt von subtiler Brillianz, über charmanten Humor bis hin zur peinlicher Leere über trivialen Blödsinn alles ab. Leider muss man am Ende feststellen, dass der Großteil der Episoden, trotz meist sehr guten darstellerischen Leistungen sowie einer minimalistischen aber durchaus ästhetischen Art der Inszenierung, in die letztere Kategorie gesteckt werden können. Wirklich genial sind so am Ende nur die wunderbar unangenehme Episode “Somewhere in California” mit Iggy Pop ("Persepolis") und Tom Waits ("7 Psychos") die humoristisch und darstellerisch charmante Episode “Cousins?” mit Alfred Molina ("Rango") und Steve Coogan("Philomena"), ihr weibliches Pendant “Cousins” mit der genialen Cate Blanchett in einer Doppelrolle sowie die abschließende Episode “Champagne”, die sich vor allem mit einer dichten Atmosphäre und gar einer überraschend emotionalen Komponente auszeichnen kann. Glücklicherweise stellen diese Episoden auch die längsten dar, Jarmusch hat hier Zeit seinen Figuren durch Smalltalk glaubwürdiger und packender zu gestalten, ihre unterschwelligen Meinungen und Wünsche durch oberflächlich erscheinende Dialoge offenzulegen und diese auf mal melancholische aber oft humorvolle Art aufeinander loszulassen.
Diese gelungenen Episoden stehen dabei einer Reihe mittelmäßiger und gar miesen Abschnitten gegenüber. “No Problem”, “Those things will kill ya” und vor allem “Renée” wirken, trotz interessanter Ausgangslage, zusammengwürfelt und planlos, ohne tieferen oder interessanten Einblick in die Figuren, wodurch die interessante Subtilität einer leeren Trivialität weicht. Ohne Zweifel besitzen auch solche Szenen den für diesen Film so essentiellen Subtext, dieser mag nur einfach nicht überzeugend funktionieren. Vermutlich werden diese Episoden jeden Zuschauer, eben aufgrund ihres ausschweifenden Interpretationsspielraums, auf andere Weise mitreißen. “Coffee and Cigarettes” könnte man so gar als Film bezeichnen, der in Gruppen geschaut werden müsste, als Gruppenexperiment, um im Anschluss durch das Wählen der Lieblingsepisode etwas über seinen Sitznachbarn zu erfahren. Dies veranschaulicht nur erneut wie interessante die Herangehensweise von Jarmusch in “Coffee and Cigarettes” ist, einen guten Film formt dies aber noch nicht.
Das Experiment “Coffee and Cigarettes” somit in irgendeiner Form als gescheitert zu werten wäre aber viel zu hart, den Anspruch wirklich zu gelingen scheint der Film auch gar nicht mitzubringen. Es ist nur das schmerzhafte Gefühl der verlorenen Zeit, das den Zuschauer im Laufe der 99 Minuten immer wieder beschleicht und so ein negatives Licht auf ein charmantes und interessantes Projekt wirft. Ein besonderes Werk, ohne Zweifel, aber nicht nötigerweise auch ein gutes.