7.8

MB-Kritik

Close 2022

Drama

7.8

Eden Dambrine
Gustav De Waele
Émilie Dequenne
Léa Drucker
Igor van Dessel
Kevin Janssens
Marc Weiss
Léon Bataille
Serine Ayari
Robin Keyaert
Herman van Slambrouck
Iven Deduytschaver
Jeffrey Vanhaeren
Pierre Gervais
Baptiste Bataille
Pieter Piron

Inhalt

Den 13-jährigen Leo und gleichaltrigen Remi verbindet eine tiefe Freundschaft, die in ihrem neuen Umfeld der Sekundarschule jedoch auf Unverständnis und Ablehnung stößt. Leo sieht sein Selbstverständnis gefädet und entzieht sich Remi immer mehr. 

Kritik

Die Nominierung Lukas Dhonts melancholischer Coming-of-Age-Story in Cannes für die Queer Palm, die 2018 sein fragwürdiges Transgender-Drama Girl mitnahm, rührt an die komplexe Thematik, die Problematik eines Wettbewerbsfilms, der seinen Motiven ähnlich ambivalent gegenübersteht wie der junge Hauptcharakter. Schon der flüchtigste Ausdruck emotionaler Nähe zwischen Männern - oder im Falle der prä-pubertären Protagonisten: männlich gelesenen Personen - provoziert einschneidende sexuelle Kategorisierungen, deren massiver sozialpsychologischer Implikationen sich die Charaktere schmerzlich bewusst sind.

In ihren vielversprechenden Anfängen entwickelt sich die verträumte Ode an eine innige Kinderfreundschaft, wie sie den 13-jährigen Remi (Gustave De Waele) und gleichaltrigen Leo (Eden Dambrine) von klein auf verbindet, zu einer Studie der destruktiven Einwirkung restriktiver Männlichkeitskonzepte und erdrückender Konstrukte sexueller Norm, deren Verletzung fatale Auswirkungen auf den sozialstrukturellen Status hat. Die quälende Bewusstwerdung dieses hinter einer verschwindend dünnen Toleranz-Fassade verborgenen Regelwerks überschattet abrupt Remis zärtliche Nähe zu seinem besten Freund Leo.

Leos durch homophobe Hänseleien seiner Mitschüler forcierten körperlichen und bald auch psychischen Rückzug von Remi, dessen mentale Instabilität subtile Details verraten, parallelisiert die dramaturgische Distanzierung des belgischen Regisseurs von dieser ebenso eindringlichen, wie vernachlässigten Thematik. Stattdessen reißt eine konstruierte Wendung die zurückhaltende Story in eine mit melodramatischer Metaphorik überladenen Exkulpation privilegierten Opportunismus. Die durch den Wohlstand seiner weißen Idealfamilie gepolsterte Trauer Leos, dessen heteronormativer Entwicklung nun niemand mehr im Wege steht, scheint die größere Tragödie.

Fazit

Ihre stärksten Momente hat Lukas Dhonts intuitiv gespielte Skizze einer fragilen Freundschaft, wenn sie in unaufdringlich beobachteten Alltagsszenen den gravierenden Einfluss normativer Zwänge aufdeckt. Doch das Interesse des Regisseurs an diesen dringlichen Themen entpuppt sich als ebenso flüchtig wie das an der zwanghaft erotischen Konnotation von Liebe. Die ganz auf ihren Hauptcharakter fokussierte Handlung zerfällt in zwei Teile, deren ungleich schwächerer Zweiter indirekt die toxischen Tropen und repressiven Männlichkeitskonzepte bestätigt, die zuvor dezent hinterfragt wurden.

Autor: Lida Bach
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