Eine Zeitspanne von nur zwei Stunden vergeht in Cléo - Mittwoch zwischen 5 und 7. Für Cléo, die eigentlich Florence heißt, fühlen sich diese zwei Stunden aber ungemein länger an. Im Paris der 60er Jahre wartet die junge Sängerin auf die Testergebnisse einer Untersuchung, von denen sie das Schlimmste befürchtet. Zu Beginn von Agnès Vardas (Glück aus dem Blickwinkel des Mannes) Film sitzt die Hauptfigur bei einer Wahrsagerin, von der sie sich die Tarotkarten legen lässt. Nachdem diese einige korrekte Informationen über Cléos persönliches Leben aus den Karten liest, wird sie zuletzt in ihrer bereits vorherrschenden Angst bestätigt. Die Wahrsagerin sieht den Tod voraus und prophezeit, dass Cléo an Krebs erkrankt ist.
Diesen Schwebezustand der Ungewissheit, mit dem die Protagonistin ihre Zeit von 17 bis 19 Uhr überbrücken muss, bis sie von ihrem Arzt über eine mögliche Diagnose informiert wird, nutzt die Regisseurin als übergreifende Stimmung für den rund 90-minütigen Film, bei dem der Zuschauer Cléo in diesen zwei Stunden möglichst in Echtzeit begleitet. Als Filmemacherin gehörte Varda zum damaligen Zeitpunkt einem Teil der Nouvelle-Vague-Filmströmung an, der neben zentralen Vertretern wie Jean-Luc Godard (Die Verachtung), Claude Chabrol (Die sieben Todsünden) oder François Truffaut (Die süße Haut), die von der Filmzeitschrift Cahiers du cinéma gefördert wurden, unter dem Namen Rive Gauche versammelt war und sich mit einer anderen Filmzeitschrift, der Positif, solidarisierte.
Der Stilistik der Nouvelle Vague ist auch Cléo - Mittwoch zwischen 5 und 7 eindeutig verschrieben, wenn sich Varda neben dem Schicksal ihrer Hauptfigur mit ausgeprägter Neugier dem widmet, was um Cléo herum passiert. Zusammen mit dem dokumentarischen Stil, den die Regisseurin durch die Verwendung von Handkameras erzeugt, wird der Streifen passend zu seiner ruhelosen Atmosphäre von einer sprunghaften Spontanität geprägt. Indem die Dreharbeiten vorwiegend an Originalschauplätzen stattfanden und neben den eigentlichen Filmfiguren immer wieder Statisten verwendet sowie in Szenen eingebracht werden, hat Varda nicht nur einen Film über eine einzelne Frau geschaffen, sondern darüber hinaus eine lebendige, pulsierende Momentaufnahme des Frankreichs der frühen 60er.
Lediglich in einer Passage des Films kehrt Cléo in die edle Wohnung zurück, die sie sich mit ihrem Freund teilt, der scheinbar als Geschäftsmann gut verdient, die meiste Zeit über aber abwesend ist. In diesen Räumlichkeiten, in denen die Hauptfigur schließlich noch von befreundeten Musikern besucht wird, um gemeinsam zu proben, durchbricht Varda den realistischen, in Echtzeit getakteten Rhythmus ihres Films zum ersten Mal. Mit dem Gesang von Cléo wird Cléo - Mittwoch zwischen 5 und 7 für einen kurzen Moment zum Musical, das die im Hintergrund tickende Uhr, die zugleich Ausdruck für die verstreichende Lebenszeit der Protagonistin ist, endgültig in Vergessenheit geraten lässt und ausschließlich für den aktuellen Moment zu existieren scheint.
Vardas Film scheint sich zu einer Ansammlung dieser Momente zu verdichten, wobei die existenzielle Schwere, welche Cléo fest im Griff hat und immer wieder in sichtliche Verzweiflung versetzt, überwiegend in den Hintergrund rückt. Die scheinbare Gewissheit über den eigenen Tod, der auf unkontrollierte Weise näher zu kommen scheint, verhandelt die Regisseurin hauptsächlich über das Gesicht von Corinne Marchand (Gigi). Neben ihrem äußeren Erscheinungsbild, mit dem sich die Hauptdarstellerin aufgrund der modischen Kleidung und einer generellen Attraktivität leicht in das Bild üblicher Stilikonen des klassischen französischen Kinos einfügt, lässt Marchand regelmäßig eine tiefe Traurigkeit durchblitzen, während sie ihre Unzufriedenheit als oberflächlich betrachtete Frau offen in Dialogen äußert.
Bereits in einer frühen Szene verdeutlicht Varda diese Einstellung ihrer Protagonistin, wenn sich Cléo in einem Spiegel betrachtet und in Gedanken äußert, dass sie am Leben sei, solange sie nur wunderschön aussieht. Neben der Einbindung aktueller Zeitgeschehnisse, bei der die Regisseurin über Nachrichtenmeldungen im Radio auf den parallel stattfindenden Algerienkrieg verweist, den sie gegen Ende des Films mithilfe einer Nebenfigur in Form eines Soldaten unmittelbar mit der Handlung verwebt, geht es Varda auch um eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen sowie die Art und Weise, wie sich die Hauptfigur selbst als Teil dieser wahrnimmt oder von ihrem Umfeld wahrgenommen wird.
Spielerisch balanciert die Regisseurin ihr Werk auf einem schmalen Grat zwischen dokumentarischem Realismus, der durch den Echtzeit-Charakter nur noch unterstrichen wird, und ungemein filmischer Überhöhung. In einem Segment, für das Varda unter anderem Godard selbst sowie dessen Muse Anna Karina (Elf Uhr nachts) als schauspielerische Unterstützung gewinnen konnte, wird der lineare Handlungsfluss vollständig unterbrochen, um einem liebevoll entworfenen Stummfilm zu weichen, der in vollständiger Länge gezeigt wird.