Wenn Claire (Juliette Binoche, Zwischen den Zeilen) über sich selber sprechen muss, dann sind die Worte, die sie wählt, grundsätzlich abwertender Natur: Eine welke Haut und hängende Lider hätte sie, die geschiedene Frau um die 50, die ihrer Überzeugung nach kurz davor steht, den Herbst des Lebens zu erreichen, was natürlich synonym dafür steht, zwangsläufig das Zeitliche zu segnen. Ihre Angst vor der Vergänglichkeit kompensiert Claire mit Ludo (Guillaume Gouix, Midnight in Paris), einem deutlich jüngeren Liebhaber, der augenscheinlich Spaß im Bett mit Claire hat, aber kein Interesse daran, wirklich Zeit mit ihr zu verbringen. Und genau dieses Gefühl der emotionalen Vernachlässigung nimmt So wie du mich willst auf, um eine Geschichte über die beflügelnde und die lähmende Kraft des Begehrens zu erzählen.
Claire möchte Ludo hinterherspionieren, natürlich inkognito, was natürlich am besten über das Internet funktioniert, in dem wir alle durch wenige Mausklicks zu anonymen Schatten werden können. Deswegen meldet sie sich mit einem Fake-Profil in einem sozialen Netwerk an: Aus der 50-Jährigen Claire wird eine 24-Jährige Clara. Selbstoptimierung im digitalen Zeitalter, wenn man so möchte. Einfacher war es jedenfalls nie, in einen neuen Körper zu schlüpfen und eine neue Identität anzunehmen. Auf diesem Wege lernt sie Alex (Francois Civil, Katakomben) kennen, den besten Freund von Ludo. Der Chat-Austausch beginnt zaghaft, nach wenigen Tagen aber können die beiden nicht mehr ohneeinander. Tag und Nacht, immer intimer. Das grüne Licht der Online-Anzeige spendet Claire Trost. Es ist ihr Asthmaspray, um wieder Luft zu bekommen.
Um Alex' Drängen auf ein Bild zu beruhigen, schickt sie ihm eine Aufnahme ihrer Neffin. Beim ersten Telefon merkt er an, Claire besäße eine besonders junge Stimme. Das Spiel mit dem Feuer führt die Literatur-Professorin zurück ins Leben, es gibt ihr Mut und verblendet ihre Wahrnehmung dahingehend vollkommen, dass sie sich erst darüber bewusst wird, welchen Egoismen sie im Kontakt mit Alex frönt, als es zu spät ist. So wie du mich willst, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Camille Laurens und inszeniert von Safy Nebbou (Der Hals der Geriffe), evoziert vor allem in der ersten Hälfte seiner etwas mehr als 100-minütigen Laufzeit ein Klima der Dringlichkeit, an das man sich, wie auch Claire und Alex, einfach verlieren möchte. Schiffbruch und Rettungsfloß liegen hier nur einen minimalen sprachlichen Missgriff auseinander.
Vor allem ist es Juilette Binoche, die in der Hauptrolle (mal wieder) eine sensationelle Performance abliefert. Oftmals sehen wir nur ihr Gesicht, welches auf den Laptop-Bildschirm und den Handy-Display starrt – und wir erkennen darin eine Bandbreite von Empfindungen, die sich ungemein pointiert im ausgefeilten Minenspiel der begnadeten Schauspielerin widerspiegeln. Binoche trägt diesen Film im unantastbaren Stil einer französischen Grande Dame; sie schenkt So wie du mich willst Dynamik und Kontur, indem sie Einsamkeit, Eifersucht, Euphorie und Lust in dieser so ungemein lebensechten Art und Weise auf den Zuschauer überträgt. Unvergesslich erscheint schon jetzt die Szene, in der Claire nach einer Party, auf der sie so wild getanzt hat, wie vielleicht nie zuvor, angetrunken in ihr Auto steigt, Alex anruft und sie sich beide gegenseitig zum Orgasmus treiben.
In der zweiten Hälfte erlaubt sich So wie du mich willst einige dramaturgische Schlenker, die die Intensität der vorangegangenen Minuten zwar nicht zerstört, aber ein gutes Stück weit dämpft. Genauso wie das eher klischiert erscheinende Bildrepertoire einer leidenden Frau, die verloren im Regen steht oder unter Wasser nach Luft schnappt. Nichtsdestotrotz gelingt es Regisseur Safy Nebbou in gelungener, teilweise sogar einnehmender Fasson, die Vorzüge und Gefahren einer zuvorderst virtuellen Leidenschaft erfahrbar zu machen: Irgendwann kommt einem immer die Realität in die Quere. Die Lügengebäude müssen zum Einsturz gebracht werden und die Rivalin, die eigentlich nie existiert hat, begraben werden. Die Jagd nach der ewigen Jugend ist eine Form der Selbstverleugnung, die zwangsläufig Schmerzen bereitet. Ob Claire aus diesen Verletzungen lernen wird, lässt So wie du mich willst glücklicherweise offen.