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Quelle: themoviedb.org

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Als im Chicago der späten 1960er Jahre der schwangeren Hausfrau Joy ein schwerwiegendes Herzproblem diagnostiziert wird, gerät ihre Schwängerschaft zu einem ernstzunehmenden Risiko für ihr Leben. In ihrer Not wendet sie sich an eine Untergrundorganisation, um eine Abtreibung vorzunehmen und findet in dieser bald eine zweite Heimat.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Zwei Jahre ist es nun her, dass Eliza Hittmans Never Rarely Sometimes Always auf dem Sundance Film Festival Premiere feierte. In dem von der Kritik gefeierten Abtreibungsdrama um die aus dem ländlichen Pennsylvania stammende Highschoolerin Autumn Callahan, die, bis auf ihre beste Freundin gänzlich auf sich allein gestellt, sich auf eine vielstündige Busreise nach New York begibt, um der Illegalität einer Abtreibung in ihrem Heimatstaat zu entgehen. 2021 waren es dann insbesondere zwei Filme, die im Rahmen der Festivalsaison auf das Thema Abtreibung aufmerksam machten, Mahamat Saleh Harouns Lingui, The Sacred Bonds und Audrey Diwans Adaption des autobiografischen Annie-Ernaux-Romans L’événement. Auf einer fundamentalen Ebene unterscheiden sich diese Filme, trotz der unterschiedlichen Ären und Länder, nicht voneinander. Sie gleichen sich, indem sie von Erfahrungen von Unterdrückung erzählen und das Kino als Ort begreifen, der dokumentiert und erinnert und uns vielleicht sogar auf eine möglichst unmittelbare Weise dazu bewegt, gesellschaftliche, religiöse oder juristische Auffassungen zu hinterfragen.

Während allerdings Hittman und Saleh Haroun ihre Filme in der Gegenwart situierten, zog sich Diwan, der Romanvorlage recht stark folgend, ins Frankreich des Jahres 1963 zurück, zwölf Jahre, bevor Abtreibungen durch das sogenannte loi veil legalisiert wurden. Es ist streitbar, inwiefern eine solche Betrachtung politischer Probleme zurückliegender Legislationen wirklich jenen etwas entgegenzusetzen wissen, die aufgrund ihrer Aktualität echte Dringlichkeit mit sich bringen, wenngleich es sich sicher lohnt, auf die Parallelen der Filme hinzuweisen, die in unserer Gegenwart und in der Vergangenheit spielen. Und doch scheint es, als seien insbesondere jene Filme, die zurückblicken, gut darin beraten, sich nicht in einer gewissen Wohligkeit der Retrospektive einzurichten und dem Stoff stattdessen eine gewisse Form abzutrotzen, die in der Lage ist, auch uns in unserer Gegenwartsperspektive zu verunsichern.

Bedauerlicherweise handelt es sich bei Phyllis NagysCall Jane nicht um einen solchen Film, doch es ist einzugestehen, dass ihr wohl auch nie daran gelegen war, einen solchen zu drehen. Der Stoff ihrer Geschichte könnte indes kaum faszinierender sein: Im Chicago des Jahres 1968, fünf Jahre vor dem entscheidenden „Joe vs Wade“-Fall des US-Verfassungsgericht, das Frauen ein grundsätzliches Recht auf Abtreibungen ohne Restriktionen zusichert, findet sich eine Gruppe von Frauen in einer klandestinen Organisation zusammen, die „Janes“, die Frauen mit Abtreibungswunsch das ermöglicht, was ihnen der Staat versagt. Das Prinzip ist einfach: Ruf die Janes an, lass dich mit verbundenen Augen zur Geheimzentrale der Janes fahren, bezahle die schwer zu stemmende Summe von 600$ und ruh dich nach der Prozedur, mit einer Portion Spaghetti, gemeinsam mit den anderen Frauen in der Zentrale aus.

Auf diese Weise lernt auch Joy (Elizabeth Banks, Charlie's Angels ) die Janes aus dem Untergrund kennen. Denn als der Schwangeren diagnostiziert wird, dass ihre zweite Schwangerschaft lebensbedrohlich mit einer Herzstörung konfligiert, ihr die Notwendigkeit der Beendigung der Schwangerschaft attestiert, wird der wohlbehüteten Hausfrau aus dem Chicagoer Vorort vor Augen geführt, dass das Recht sie im Zweifelsfall lieber als gute, tote Christin weiß, denn als Abtreiberin. Ihr Mann Will (Chris Messina, I Care a Lot) ist das Paradebeispiel dafür, wie in einer unter dem Deckmantel der scheinbaren Normalität und Ordnungskonformität die womöglich größte Gewalt im Privaten (re)produziert wird, indem sich dieser mit der Entscheidung der Krankenhauskommission, einer Fraktion ausschließlich weißer älterer Herren, gegen eine Abtreibung schlicht abfindet, ungeachtet der unmittelbaren Gefahr, die eine Fortführung der Schwangerschaft für seine Frau bedeuten würde.

Während dieser ersten Hälfte des Filmes gelingt es Call Jane das eine ums andere Mal, uns einen echten Einblick in diese Zeit und dieses Milieu zu bieten. So etwa, wenn Janes Arzt, wohl vertraut mit Situationen ähnlich jener Janes, ihr eine Art Stufenplan aufzeigt, welche legalen Mittel sie ergreifen kann, um zu einer medizinisch legitimierten Empfehlung des Schwangerschaftsabbruches zu gelangen. Letztlich, so wirft dieser auf, wenn alle Stricke reißen, lasse sich immer noch auf Geisteskrankheit plädieren, für deren Diagnose es aber zweier unabhängiger psychologischer Gutachten bedürfe. Eine Sekretärin empfiehlt ihr hingegen, sich die Treppe hinunterzuwerfen, das habe bei ihr auch funktioniert. Am Treppenabsatz sehen wir Joy wenig später dann auch stehen, voller Verzweiflung in den Abgrund blickend, und wenngleich es ihr im letzten Moment noch gelingt, sich, laut aufschreiend, am Geländer festzuklammern, und sich schon bald in den liebenden Armen ihrer Tochter Charlotte (Grace Edwards, Modern Love) und ihres Mannes Will wiederfindet, ist es nicht schwierig, sich vorzustellen, wie es all jenen Frauen in jenen Momenten wohl ohne ein solches soziales Netz erging und ergeht.

Um diese Frauen nicht im Stich zu lassen, gruppierte sich einst die Gruppe Call Jane, angeführt von der von durch Sigourney Weaver (Alien) verkörperten Virginia. Weaver gibt uns von der ersten Szene an das Gefühl, eine dramaturgische Lücke zu füllen, derer Existenz wir uns zu bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal gewahr sind, so spielend nimmt sie alle Szenen für sich ein. Als habe es nur eines gewissen Stoßes bedurft, um Joy von einer erfüllenderen Existenz zu überzeugen, als sich lediglich um das Bekochen ihres Mannes zu kümmern und gelegentliche Kunstkurse zu besuchen, integriert Virginia die anfangs noch unwillige Joy, unwissend, dass sie damit eine Saat sät, deren Blüten ganz außergewöhnliche Blüten treiben. Denn als Joy beginnt, das System der Janes zu hinterfragen, das allem voran auf der Abhängigkeit von einem Mann, dem als Gynäkologen fungierenden Dean (Cory Michael Smith, Carol), fußt, der uns als „kapitalistisches Schwein, aber der Beste, den wir haben“ vorgestellt wird, und der für jede Abtreibung 600 Dollar in bar berechnet, schwebt ihr angesichts der nicht zu bewältigenden Anzahl von Anfragen hilfloser Frauen eine Idee vor. Ganz im Stile des Konfuzius zugeschriebenen Aperçus will sie die Janes nicht nur als Fischkäuferinnen verstanden wissen, sie will ihnen das Angeln beibringen, schließlich handele es sich bei der Abtreibungsprozedur um einen Eingriff, der auch binnen kürzester Zeit von Nicht-Studierten zu erlernen sei. Darüber aufgeklärt, dass es sich beim Extrahieren von Kürbisskernen um die beste Leere für die die 20-minütigen Eingriffe handele, erfüllt in Kürze schon der Duft unzähliger Kürbiskuchen Joys Küche.   

Vor allem anderen durch ihre Drehbuchadaption zu Todd Haynes' Carol zu breiter Öffentlichkeit gelangt, verliert PhyllisNagys zweite Regiearbeit (nach ihrem Fernsehfilm Mrs. Harris) in der Folge immer mehr an Unmittelbarkeit, was sich insbesondere darin äußert, dass sie sich auf einen generischen Handlungsbogen familiärer Streitereien einlässt. Durchaus bieten Filme die Möglichkeit, das Politische im Privaten als Thema herausarbeiten, nicht aber jedoch durch uninspirierte Annäherungen des sich alleingelassen fühlenden Ehemannes mit der Diary of a Mad Housewife lesenden Nachbarin Lana (Kate Mara,The Martian). Es ist erstaunlich, dass sich diese Trope im Regiewerk einer Autorin wiederfindet, und es lässt sich nur spekulieren, ob im Insistieren auf das Wohl der Kernfamilie eine Forderung der Studios wiedererkennen lässt.

„The whole world is watching“, skandieren die Anti-Vietnam-Proteste zu Beginn des Filmes, als sich Joy zu Beginn des Filmes im Rahmen eines Events der Rechtsfirma ihres Mannes durch die blankpolierte, nahezu leere Hotellobby bewegt, ehe sie vor der Tür von einem Polizisten angehalten wird, zurückzubleiben. Beinah ist man nach einem solchen Beginn bereit zu glauben, dass Nagys darauf aus ist, uns von einer Gesellschaft im Wandel zu erzählen. Doch sie verharrt im Jetzt, das gleichzeitig das Vergangene ist, und hält an Drehbuchregeln fest, die wir eigentlich für glaubten, überwunden zu haben. Und gerade, als sich der Film in seiner zunehmenden Wohligkeit schon selbst abgeschrieben hat, flammt in der letzten Szene, fünf Jahre später, anlässlich der Feier über das Urteil des US-amerikanischen Verfassungsgerichts, noch einmal das poetische Potenzial auf, das diesem Film durchaus innewohnt, wenn die Janes noch einmal zusammenkommen und auf ritualisierte Weise ihre Patientinnen-Akten in das Kaminfeuer werfen.


Fazit

Bisweilen geistreich und ergreifend, verliert sich Phyllis Nagy mit zunehmender Laufzeit in generischen Nebenhandlungsschauplätzen und untergräbt so das eigentliche Herzstück der Geschichte. Formal solide inszeniert, exzelliert ihr das Drama insbesondere dann, wenn es uns mit dem Zeitgeist des Chicagos der späten 1960er und den Hürden einer Abtreibung während dieser Zeit familiarisiert und der überzeugenden Elizabeth Banks Sigourney Weaver zu Seite stellt, die jede Szene bereichert.  

Kritik: Patrick Fey

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