Inhalt
Die Eltern (Bud Cort und Mink Stole) von High-School-Kid Megan (Natasha Lyonne) sind in Sorge: Ihre Tochter weist Vorlieben und Verhaltensweisen auf, die nicht der Heteronormativität entsprechen! Als „Rettung“ soll eine Einweisung ins Umerziehungs-Camp „True Directions“ dienen, wo Teenager in einem Fünf-Stufen-Programm zur Heterosexualität finden sollen. Megan lernt dort die rebellische Graham (Clea DuVall) kennen – und wird bald selbst zur Aufbegehrenden...
Kritik
Der Independentfilm „But I’m a Cheerleader – Weil ich ein Mädchen bin“ von Jamie Babbit wirkt in seiner ersten Hälfte, als hätten Trash-Ikone John Waters („Polyester“) und Outcast-Experte Tim Burton („Edward mit den Scherenhänden“) gemeinsam eine witzig-jugendliche Queer-Version von „Einer flog über das Kuckucksnest“ erschaffen. Mit satirischem Schwung und in schrillen Bonbonfarben geht das Werk an das Thema „Selbstfindung unter gesellschaftlichen Zwängen“ heran und zeigt Geschlechterrollen-Klischees auf. Obgleich manche Gags ein bisschen forciert anmuten und das Alberne ab und zu in den Vordergrund tritt, ist das ernsthafte Interesse der Regisseurin und ihres Drehbuchautors Brian Wayne Peterson am Gender-Sujet erkennbar. In der zweiten Hälfte wandelt sich die Satire in eine RomCom – wobei sich jene unterschiedlichen Tonlagen erstaunlich gut verbinden.
Während lesbische Liebe und Sexualität sowohl im Hollywood-Mainstream als auch in US-Arthouse-Filmen oft nur als zusätzlicher Kick oder als reißerischer Twist benutzt werden – der Klassiker auf diesem Gebiet: „Basic Instinct“; das jüngste Beispiel: „Side Effects“ –, setzen Babbit und Peterson nicht auf eine Ausbeutung des Themas. Der erotische Funkenschlag zwischen Megan und Graham wird mit Feingefühl in Szene gesetzt. Und gibt es überhaupt einen passenderen Song zur Untermalung einer Liebesszene als „Glass Vase Cello Case“ von Tattle Tale? Wohl kaum!
Nicht unerwähnt bleiben darf die Tatsache, dass in „But I’m a Cheerleader“ vier der coolsten Frauen mitspielen, die die audiovisuelle Medienwelt in den Neunzigerjahren hervorgebracht hat: Natasha Lyonne, Clea DuVall, Michelle Williams und Julie Delpy. Lyonne trat u.a. in „American Pie“ auf und gehörte zu den Club Kids in „Party Monster“ (einem herrlich durchgeknallten, leider verkannten Low-Budget-Meisterwerk); DuVall gab die punkige Outsiderin mit kajalgeränderten Augen und umfassenden SciFi-Kenntnissen in „The Faculty“ und war erst kürzlich im Oscar-Gewinnerfilm „Argo“ zu sehen; Williams (die hier in einer Mini-Rolle als Über-Cheerleader und fiese Pseudo-Freundin dabei ist) verkörperte das einzige nicht-nervige Mitglied der „Dawson’s Creek“-Clique und ist heute – nach ihren Performances in „Brokeback Mountain“ oder „Blue Valentine“ – die wohl aufregendste Schauspielerin ihrer Generation; und die Französin Delpy (hier als Bar-Bekanntschaft zu erleben) quasselte sich höchst erfolgreich durch diverse Richard-Linklater-Movies und hat auch sonst eine ziemlich beeindruckende Filmografie vorzuweisen.
Ebenfalls dabei: Cathy Moriarty – bekannt als Spielpartnerin von Robert de Niro in „Wie ein wilder Stier“ – als Camp-Leiterin, und die Drag Queen RuPaul, die hier völlig gegen ihr Image besetzt ist und sich im „Straight Is Great“-T-Shirt zeigt.
Auf der DVD findet sich (neben Filmografien und einer Trailershow) ein Feature, welches ein Interview mit der Regisseurin sowie Impressionen vom Dreh enthält. Eine nette Ergänzung!
Fazit
„But I’m a Cheerleader“ ist ein kluger, gefühlvoller Spaß, der bis in die Nebenrollen hinein gut besetzt ist; Natasha Lyonne und Clea DuVall sind eines der schönsten Paare des queeren Kinos!
Autor: Andreas Köhnemann