Wie oft wurde William Friedkin (Atemlos vor Angst) doch schon das jähe Ende seiner durch Klassiker wie French Connection oder Der Exorzist einst von Verheißung ausgezeichneten Karriere prophezeit. Seit Mitte der 1980er Jahre schien sich das mediale Echo jedenfalls darauf einzuschießen, dass der nächste Film der eigentümlichen New-Hollywood-Koryphäe immer auch der endgültige Sargnagel für sein Schaffen darstellen wird – aber Friedkin macht weiter, allen Unkenrufen, Herabwürdigungen und kommerziellen Erwartungen zum Trotz. Natürlich hat sich der Mann Zeit seines Lebens auch einige filmische Fehltritte geleistet, bewundernswert ist allerdings, mit welcher Verlässlichkeit der aus Chicago stammende Künstler immer wieder zurück in seine prägnante Spur gefunden hat, um allen Zweiflern ein neues, kantiges Brett feinster Cineastik vor den trotzigen Kopf zu poltern (man denke nur Killer Joe, seinen bis dato letzten Siegeszug, der wie der Phoenix aus der White-Trash-Asche stieg und Sprachlosigkeit walten ließ).
2006 standen die Zeichen, wie könnte es auch anders sein, für William Friedkin natürlich erneut (oder immer noch) auf Abschied. Jade, Rules – Sekunden der Entscheidung und Die Stunde des Jägers sind an den Kinokassen durchgerasselt und wurden vom internationalen Feuilleton unnachgiebig mit dem rhetorischen Fleischklopfer bearbeitet. Bug aber war anschließend genau der Heilsbringer, den William Friedkin in dieser angespannten Phase hat abliefern müssen, um die Wogen, die in Bezug auf seine Person zusehends höher und höher schlugen, ein Stück weit zu glätten. Es ist der Film gewesen, der wieder vor Augen geführt hat, warum Friedkin nicht nur einer der interessantesten Regisseure überhaupt ist, sondern auch, dass in Zukunft immer noch mit ihm zu rechnen sein wird. Die energie- und kraftstrotzende Verve, die Bug in jeder Sekunde absorbiert, ist, mit Verlaub, der schiere Wahnsinn. Und genau das ist Bug: 100 Minuten Wahnsinn.
William Friedkin formuliert hier nach der Drehbuch- respektive Theatervorlage von Tracy Letts einen Tauchgang in das gestörte Miteinander zweier einsamer Seelen, die sich suchen, finden und nach und nach zerstören. Agnes (Ashley Judd, Heat) vegetiert so durch den Tag, leidet unter dem gewalttätigen Temperament ihres Ex-Freundes und findet nur noch selten eine Chance, um die Leere des Alltags hinter sich zu lassen. Bis Peter (Michael Shannon, Take Shelter) in ihrem Leben auftaucht. Ein introvertierter, junger Mann, der sich Frauen nicht aufdrängt und quasi der Gegenentwurf zu Agens' dominantem Ex darstellt. Was erst wie eine sanfte Liebesgeschichte zweier im Nirgendwo Gestrandeter anmutet, fächert Bug zu einer regelrechten Tour de Force auf und reißt den Zuschauer in beachtlicher Konsequenz, zusammen mit den Protagonisten, durch ein verstrahltes Sumpfgebiet aus Verschwörungstheorien, paranoiden Wahnvorstellungen und schizophrenen Persönlichkeitsstörungen. Ausgangspunkt sind winzige Bettwanzen, die sich (angeblich) als Teil eines höheren Komplotts Zugang in die Zweiraumwohnung von Agnes verschafft haben.
Beeindruckend ist, wie William Friedkin den Irrsinn zwischen Agnes und Peter graduell verdichtet, um die psychopathologische Ebene des Films immer schwerwiegender zum Ausdruck zu bringen. Wo sich am Anfang nur einige Insektenspraydosen auf dem Mobiliar der Wohnung vorfinden, scheint zum Ende hin eine in Alufolie gewickelte Parallelwelt zu florieren, in dessen Inneren sich das labile Pärchen einen Raum errichtet hat, in dem sie sich in ihrem Wahnsinn ungestört bekräftigen können. Spinnen, Heuschrecken, Wanzen, Schaben, Läuse, Zecken, Milben. Das Insektenreich ist hier nicht mehr länger bloß störendes Ungeziefer in den eigenen vier Wänden, sondern von Religion, Wirtschaft, Politik und Militär übermittelte Sender, die im Zuge einer nationalen Konspiration fungieren. Bug spricht an dieser Stelle auch von gegenwärtigen Gesellschaftsbefindlichkeiten, von Paranoia und Klaustrophobie, die sich schon lange im Herzen Amerikas angesammelt haben und einen Ventilator auch schon mal wie die Rotorblätter eines Kampfhubschraubers wirken lassen können.