Seit sieben Jahren sind Nigel (Hugh Grant, Vier Hochzeiten und ein Todesfall) und Fiona (Kristin Scott Thomas, Der englische Patient) nun schon verheiratet. Das verflixte siebte Jahr. Natürlich würde das Pärchen niemals zugeben, dass ihre Reise auf einem Kreuzfahrtschiff im Mittelmeer, von Istanbul nach Indien, einem therapeutischen Zweck unterliegt, dafür sind sie dann doch zu britisch – und letztlich auch zu sehr davon überzeugt, dass ihre Beziehung tatsächlich in harmonischen Bahnen verläuft. Roman Polanski (Tanz der Vampire) wird dieses eheliche Selbstständnis innerhalb der 140-minütigen Laufzeit indes nicht nur aus den Angeln heben, sondern bis in die Grundfesten erschüttern. Denn durch die Begegnung mit Mimi (Emmanuelle Seigner, Frantic) und Oscar (Peter Coyote, E.T. - Der Außerirdische) entdecken Nigel und Fiona die unentdeckten Nischen ihres Begehrens.
Im Falle von Nigel und Fiona ist Zuneigung die richtige Vokabel, um ihr Miteinander zu beschreiben (auch losgelöst vom englischen Understatement). Man merkt den beiden an, dass sie durchaus Hingebung zueinander pflegen, diese amourösen Gefühle aber niemals aus ihrer Komfortzone entlassen möchten. Ihr Beziehung ist auf Absicherung, nicht auf Ekstase bedacht – und damit eben auch eine potenzielle Grabkammer, wie Oscar später noch sagen wird. Auf jenem Kreuzfahrtschiff, auf dem sich die Charaktere über den Weg laufen, wird Nigel alsbald von Oscar dazu eingespannt, sich die Geschichte seiner Leidenschaft zu Mimi bis ins kleinste Detail anzuhören. Roman Polanski erzählt das in umfangreichen Rückblicken und inszeniert das Kennenlernen und Erforschen der beiden Akteure zuweilen so offensiv als einen von Kitsch erfüllten Traum, dass die Ironie hinter diesen Impressionen von Beginn an etwas Abgründiges in sich birgt.
Irgendwann nämlich kommt ein Punkt im Verhältnis von Mimi und Oscar, welches darüber hinausgeht, in der körperlichen Verschmelzung innere Ausgeglichenheit zu finden. Das Verlangen, welches die beiden antreibt, basiert auf einer ganz und gar destruktiven Obsession: Sowohl Mimi als auch Oscar verzehren sich nach dem verhängnisvollen, dem zerfleischenden Faktor innerhalb ihrer gegenseitigen Anhänglichkeit – und sie lieben sich, daran besteht kein Zweifel. Roman Polanski berichtet in Bitter Moon von einer Liebe, die zu gierig, zu hungrig, zu maßlos war und das Süße schließlich ins endlos Saure umkippen ließ. In den Offenbarungen Oscars erkennt auch Nigel zusehends, dass seine Liebe zu Fiona der hemmungslose Impuls fehlt; mehr und mehr fühlt er sich zu der aufregenden Frau, deren Körper die ganze Schönheit der Welt versinnbildlicht, hingezogen, obgleich er sie vordergründig nur aus den haarkleinen Erzählungen kennt.
Bitter Moon ist ein Liebesfilm, allerdings einer der Sorte, der die verstörenden Wege untersucht, die zwei Menschen betreten können, um sich ihre Liebe zu gestehen. In einer abgründigen Abhängigkeitsspirale werden herkömmliche Beziehungsmuster von Roman Polanski nicht nur entlarvt, sondern auch in ihre Einzeilteile zerlegt: Mal mit Augenzwinkern, mal voller Verheißung, oftmals mit schmerzhafter Unnachgiebigkeit. Nigel und Fiona stehen hier exemplarisch für ein Paar, welches sich in zweisamer Zufriedenheit wägen möchte, nur aus dem Grund, weil ihre Gefühle oberflächlich intakt scheinen. Dass dem nicht so ist, wird von Minute zu Minute deutlicher; der Nullpunkt greifbarer, die Farce und die Tragödie, die sich hinter der reinlichen Fassade befinden, offensichtlicher. Kein zwischenmenschlicher Bund ist immer einträchtig, vor allem dann nicht, wenn man sich weigert, einen Blick in den Höllenschlund der eigenen Seele und dem des Partners zu wagen.