Die 12-jährige Bailey lebt in einer tristen Bude in North Kent mit ihrem allleinstehenden Vater Bug und ihrem Bruder Hunter. Während Bug nicht viel Zeit für seine Kinder hat und selbst noch nicht ganz erwachsen ist, sucht Bailey andernorts nach Aufmerksamkeit und Zuwendung. Da begegnet ihr ein eigentümlicher Fremder, der sich Bird nennt.
“Is it too real for ya?”, singt die Dubliner Band The Fontaines in einer frohen Szene Andrea Arnolds (Cow) filmischer Rückkehr zu dem Genre, zu dem die bisher besten Arbeiten der britischen Regisseurin und Drehbuchautorin zählen. Dass ihr jüngstes Coming-of-Age-Drama nicht dazu zählt, liegt nicht zuletzt an dessen - in narrativer und visueller Hinsicht buchstäblichem - Abheben in phantastische Gefilde. Diese stehen in irritierender dramatischer Dissonanz zu den ihr wohlvertrauten Kitchen-Sink-Realismus. Auf den bezieht sich der erwähnte Song.
Zugleich ist er einer zahlreicher musikalischer Cues auf den sozialen und biografischen Hintergrund der Figuren im Mittelpunkt einer Story, die sich ähnlich treiben lässt wie die junge Heldin. Die von Newcomerin Nykiya Adams mit naturalistischer Nuanciertheit verkörperte Bailey steht mit ihren zwölf Jahren an der Schwelle einer psychischen und physischen Transformation, die Elemente animistischer Allegorik illustrieren. Zum dramaturgischen Hindernis werden die allgegenwärtigen Tier- und Natur-Metaphern, sobald sie nicht den realistischen Rahmen der sozialromantischen Story durchbrechen.
Letztes initiiert der mysteriöse Drifters Bird (Franz Rogowski, Passages) im unbeständigen Alltag der jungen Heldin. Sie lebt mit ihrem alleinstehenden Vater Bug (Barry Koeghan, Masters of the Air) und 14-jährigen Bruder Hunter (Jason Edward Buda) in einem ärmeren Viertelk North Kents in einem semi-legalen Apartment, dessen Geräumigkeit und Graffitis mehr nach Designer-Loft als Sozialwohnung aussieht. Solche Details strapazieren weiter die Glaubwürdigkeit einer Pubertät-Parabel, deren soziologischer Spannungsbogen ebenso forciert wirkt wie die unausgegorene Mischung aus esoterischem Eskapismus und fantastisch gefärbte Familien-Fabel.
Fazit
Vielleicht ist der Abflug Andrea Arnolds bitter-süßer Erzählung vom Erwachsen(er)werden in Fantasy-Kitsch ein Nebeneffekt der eine Schlüsselrolle spielenden halluzinogenen Schleim absondernden Kröte. Die ist nur eine zahlreicher Tier-Metaphern, neben naturbezogenen Namen und malerischer Landschaft am Randes des schäbigen Schauplatzes. Ein träumerischer Kamerablick stilisiert Flora und Fauna zu externalisierten Sehnsüchten, Ängsten und Aggressionen der jugendlichen Heldin. Deren Authentizität liegt in der unbefangenen Darstellung; Zentrum eines hervorragenden Ensembles, das magisch-realistische Sentimentalität und soziologische Stereotypen untergraben.