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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Als zu Beginn der Vierziger Jahre der naiv-idealistische Barton Fink mit einem Theaterstück über „den kleinen Mann“ seinen Durchbruch am Broadway erlebt hat, folgt er zögerlich einem Ruf nach Hollywood, wo er vom Filmtycoon Jack Lipnick als Drehbuchautor engagiert wird. Sprach- und ratlos entnimmt der Bühnenautor (der offenbar noch kein Kino von innen gesehen hat) dem Redeschwall des Produzenten, dass er das Buch zu einem profanem Ringerfilm zu schreiben habe.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Seinen ersten großen Erfolg am Broadway konnte Barton Fink (John Turturro, The Night Of) gerade einfahren, nachdem ihm nicht nur das Publikum stehende Ovationen spendiert hat, sondern auch die Kritiken voller Entzückung über seine Darstellung des Kleine-Leute-Milieus urteilte. Fink hat den ersten Schritt seiner lebensumfassenden Vision gemeistert: Er möchte das Theater einer Neudefinition unterziehen. Nicht mehr die Adligen, die Distinguierten, die Gekrönten und Privilegierten sollen auf der Bühne ihren Platz eingeräumt bekommen, sondern der einfache Mann, die Geschichten des Lebens, die das Wahre aus dem Alltäglichen destillieren. Das Angebot der Produktionsgesellschaft Capitol Pictures aber kann Barton Fink letztlich nicht ausschlagen: Wenn Hollywood ruft, dann ruft auch ein äußerst stattliches Honorar – und damit auch der Verrat an einer Vision, die sich geflissentlich dem Gewöhnlichen widmen wollte?

Irgendwie schon, denn nachdem Fink seine Instruktionen erhalten hat, das Drehbuch für einen drittklassigen Catcher-Film mit Wallace Beery zu schreiben, zieht er sich in ein Hotel zurück, in dem sich Naked Lunch und Lost Highway gute Nacht sagen: Das Fenster klemmt, die Tapeten rollen sich schmatzend von den papierdünnen Wänden und das Bild einer Frau am Strand. Der einzige Anblick, der zum Verweilen einlädt. Und hier soll Fink ein Skript für ein Genre verfassen, das ihm vollkommen fremd ist, für einen Schauspieler, dessen Namen er noch nie gehört hat. Joel und Ethan Coen (The Ballad of Buster Scruggs), die es mit Barton Fink vollbracht haben, bei den Filmfestspielen von Cannes in allen Hauptkategorien für ausgezeichnet zu werden, widmen sich dem Mythos der Traumfabrik und nähern sich diesem über den (selbst-)zerfleischenden Kreativprozess des Schreibens an.

Alles beginnt, wie könnte es auch anders sein, mit dem Wort. Barton Fink aber weiß nicht, wie sich dieses Wort nun eigentlich veräußern soll. Ein Mietshaus in Manhattan. Man hört den Verkehrslärm, vielleicht. Hört man aber auch den Fischverkäufer an der Ecke? Fink benötigt Inspiration; Inspiration, die sich, so wie es das Schicksal nun mal gewollt hat, direkt im Nebenzimmer befindet. Bullig und doch liebeswert steht er irgendwann vor ihm, der Versicherungsangestellte Charlie Meadows (John Goodman, Arachnophobia). Ein Mann des Volkes. Jemand, der das Banale zum Profunden erheben kann, allein durch seine bloße Erscheinung. Die Worte wollen dennoch nicht aus Fink heraussprudeln, sein Bauch ist noch nicht imstande, ihm zu sagen, was wirklich gut und was nur angemessen ist. Also zurück zum Mietshaus. Manhattan. Lower East Side. Hört man den Fischverkäufer? Oder werden seine lauthals in die Welt gerufenen Angebote vom Verkehrslärm geschluckt?

Natürlich haben sich Joel und Ethan Coen mit diesem Meisterwerk aus dem Jahre 1991 auch ein Stück weit selbstständig therapiert. Die Gebrüder sind mit ihrem Film noir Miller's Crossing, der selbstredend ebenfalls nichts anderes als ein Meilenstein der frühen 1990er Jahre darstellt, ebenfalls einer verheerenden Schreibblockade auf den Leim gegangen, um in ihrer schöpferischen Sinnkrise zu verinnerlichen, dass es vermutlich nicht immer um das Schreiben per se geht, sondern genauso um die Aneignung. Um die Er-, aber nicht Ausbeutung von Themen und Motiven. Dementsprechend offenkundig arbeitet Barton Fink sich auch am Studio- und Starsystem Hollywoods ab und lässt dieses auf den Schultern eines schmächtigen, der Realität immer etwas entrückt erscheinenden Autors ab, der im Namen des Filmmoguls Jack Lipnick (Michael Lerner, Wenn der Postmann zweimal klingelt) nichts Originäres erschaffen soll, sondern einem festgeschriebenen Strickmuster folgen.

In bahnbrechender Virtuosität beobachten die kongenialen Autorenfilmer Fink dabei, wie er, verkeilt in Erwartungshaltungen, verkapselt in Visionen, in diesem ranzigen Hotel der ewigen Korridore eine Lösung zu finden versucht, Worte aneinanderzureihen, die etwas Kreatives ergeben, während ihm Charlie mit Schweißrändern bis zur Gürtellinie Beistand leistet. Die Coens zeigen dabei auf, dass der Prozess des Schöpfens nicht etwa einem inneren Frieden entspringt, sondern einem tiefen inneren Schmerz. Einer existienziellen Einsamkeit. Einer unentwegten Selbstzerstörung. Schreiben, das bedeutet die Höhen und Tiefen der Seele auszuloten, um etwas Verschüttetes ohne jede Landkarte zu bergen. Und genau das ist Barton Fink: Ein surrealer Höllenabstieg in den Urschleim der menschlichen Innovationskraft. Eine Kraft, die entfesselt werden möchte, möglicherweise auf Kosten einer Leiche, wahrscheinlicher aber für den Preis des Wahnsinns. Und da sind die Coens ganz bei sich.

Fazit

Wenn "Barton Fink" etwas ist, dann wohl eine durch und durch beeindruckende Nabelschau, ohne allerdings mit seinen autobiografischen Anleihen hausieren zu gehen. Joel und Ethan Coen wissen ganz genau, wie es ist, in den Untiefen einer Schreibblockade gefangen zu sein, gleichermaßen aber fast manisch darauf erpicht zu sein, die eigene Vision lebendig zu erhalten. Herausgekommen ist ein virtuos inszenierter, exzellent geschriebener und famos gespielter Meilenstein des 1990er Jahre Kinos.

Kritik: Pascal Reis

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